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Im Zeitalter der Roadromane: Auf die Straße, fertig, los!

© mauritius images

Roadroman "French Summer": Roter Golf, rote Filme

Turbulent und luftig: Marian De Smets Roadroman „French Summer“ fängt mit leichter Prosa die Geschichte zweier Jugendlicher ein, die vor ihren Problemen davonzulaufen versuchen.

Ob es mit Wolfgang Herrndorfs 2010 erschienenem Dauerbestseller „Tschick“ zu tun hat, dass in letzter Zeit im Jugendbuchbereich so viele Roadromane veröffentlicht werden? Die dann von ihren Verlagen so bescheuerte, alles andere als zielführende Untertitel wie „A Fucking Great Road Trip“ bekommen – so wie die deutsche Übersetzung von Marian De Smets Roman „French Summer“. Der heißt im niederländischsprachigen, 2013 veröffentlichten Original schlicht und untertitellos „Rotmoevie“, was nicht Roadmovie bedeutet, wie man denken könnte, sondern umgangssprachlich „Scheißfilm“: „Rot“ ist auf niederländisch faul, schlecht.

Oder ob es nicht einfach das Privileg der Jugend ist (und erst wieder des – zumindest rüstigen – Alters), ständig unterwegs sein zu können, das für diese Roadromanschwemme verantwortlich ist?

Der Roadtrip, den Marian De Smet ihre Hauptfiguren machen lässt, ist glücklicherweise nicht „fucking great“ – das würden die 19-jährige Tabby und der etwas jüngere Eppo vehement bestreiten, trotz einiger Verpeiltheiten ihrerseits und diverser Turbulenzen auf Campingplätzen und Feldwegen. Der Trip der beiden hat mehr was von einer Therapie, haben sie doch unangenehme, traurige Ereignisse aus ihrer jüngeren Vergangenheit zu bewältigen – wie es der Originaltitel so treffend wiedergibt. Tabbys On-the-Road- Sein ist eine gezielte Flucht, bei der die Zeit eine wichtige Rolle spielt. Eppo will auf andere Gedanken kommen nach dem Tod eines von ihm geliebten Menschen. Von seinem „betäubten Ich“ spricht er einmal.

Sich so etwas anzuvertrauen, zumal wenn einen der Zufall zusammenbringt, das dauert – und daraus bezieht De Smets im Fall von Eppo mit vielen Rückblenden arbeitender Roman seine Spannung, Interessantheit und manchmal Komik.

Das Glück des Trampens

Es beginnt damit, dass Eppo eines schönen Sommertages als Tramper in den roten Golf von Tabby steigt, um von dieser an die französische Grenze kutschiert zu werden. Was kein Problem ist, denn so gezielt Tabby sich aus dem Staub gemacht hat, so ziellos fährt sie in der Gegend herum. Nach und nach kommen sie sich näher, nicht körperlich, aber verbal, das bleibt nicht aus in der Enge eines Autos und eines Zeltes. Das Glück des Trampens eben.

Sie wundern sich zwar erst über die Weirdness oder Ödnis des jeweiligen anderen, „Ein aufregender Typ bist Du nicht gerade“, bemerkt Tabby zum Beispiel. Bald aber schon erzählen sie sich dies und das – und schließlich von Rob und Maarten. Rob ist Tabbys große Liebe, zwölf Jahre älter, Seemann dazu. Warum sie von ihm weggelaufen ist, will Eppo als Nichtraucher nur langsam dämmern: Tabby raucht, versucht mit dem Rauchen aufzuhören, raucht wieder, hört wieder auf etc. Und Maarten? Ist eine Art Adoptivbruder von Eppo, ein Pflegekind seiner Eltern Anke und Hendrik, das mit den Jahren zu viel mehr wird: zu Eppos erster großer, unglücklicher Liebe.

Am Ende werden beide ein Stück erwachsener

Eppo, der seine Eltern nur mit Vornamen anredet, stammt aus einem politisch superkorrekten Haushalt (der Vater geht nicht auf Reisen, um seinen ökologischen Fußabdruck zu schonen, will nicht zur Überbevölkerung beitragen, deshalb hat er mit Anke nur ein Kind), der allein jede Flucht rechtfertigt, und auch sonst mutet De Smet ihren (jugendlichen) Lesern und Leserinnen viel juvenile Problemlast zu. Doch im Gegensatz dazu schreibt sie eine schön leichte, luftige Prosa, holt sie den französischen Sommer mit seiner Urlaubsatmosphäre gut mit in ihre Story herein. Zudem vermag sie es, die partielle Schwermut von Eppo mit Tabbys so ganz anderem, offenen, aber zerstreuten Wesen wunderbar aufzufangen. Im Verlauf dieses Romans finden sich auf der Straße wirklich zwei, die das sonst nie getan hätten – und werden ein Stück erwachsener.

Marian De Smet beschert ihnen ein glückliches Ende, und vor allem Eppo lernt seine Lektionen. „Fucking Great“ jedoch, das ist sicher, sind Erwachsenwerden und erste Lebenskrisenbewältigungen nie.

Marian De Smet: French Summer. Aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann. Gerstenberg, Hildesheim 2016. 188 Seiten, 14,95 Euro. Ab 14 Jahren.

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