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Vielbeschäftigt. Robert Gwisdek will das Leben nicht nur darstellen, sondern auch untersuchen.

© Mike Wolff

Robert Gwisdek in "Renn, wenn du kannst": Der Phasenprüfer

Intuition und Kopfarbeit: Der Berliner Schauspieler Robert Gwisdek sucht den guten Mix – wie in dem Kinofilm "Renn, wenn du kannst".

Mit Phasen kennt Robert Gwisdek sich aus. Er hatte schon eine, in der er als Schauspieler Filme dreht, und eine, in der er seinen Rucksack der Erleuchtung wegen durch Indien schleppt. Eine, in der er drei Mal die Woche ins Kino rennt, und eine, in der er ausschließlich über eigenen Projekten brütet, Kurzfilme realisiert, in Bands spielt. Eine als Partynudel und mehrere einsame Waldphasen, in denen er wochenlang auf Grizzly Adams macht, nur eben in den Wäldern um Berlin.

Dabei ist Gwisdek, mit der schlaksigen Statur seines Vaters Michael Gwisdek und dem intensiven Blick seiner Mutter Corinna Harfouch, gerade mal 26. Und qua Geburt vor die Kamera gerutscht: Mit fünf Jahren stand er in „Treffen in Travers“, dem mit dem Nationalen Filmpreis der DDR ausgezeichneten Regiedebüt seines Vaters, „im Bild und hab meinem Bruder mit einer Zwille an den Arsch geschossen“, erzählt er. Danach spielte er, noch als Junge, Theater, unter anderem im Berliner Ensemble mit Martin Wuttke oder Josef Bierbichler, später kamen die Schauspielausbildung an der HFF Potsdam, Filme, Fernsehen, Frieder Wittichs außergewöhnliche Komödie „13 Semester“, jetzt die Hauptrolle in „Renn, wenn du kannst“.

Mit eingeschränkten Mitteln schafft er in diesem gerade angelaufenen Erstlingswerk von Dietrich Brüggemanns den größtmöglichen Effekt: Er spielt den nach einem Unfall halsabwärts gelähmten Rollstuhlfahrer Ben, dessen Zeitvertreib aus Zivis-Rausekeln und Mädchen-Nachspannen besteht. Als der neue Zivi sich nicht so ohne Weiteres abwimmeln lässt und das Mädchen tatsächlich in Kennenlernposition rückt, gerät sein Leben in Bewegung. Selbstverständlich, und um der Dramatik willen, verlieben sich der zynische Rolli und der gutmütige Zivi in die langwimprige, lampenfiebrige Cellistin. Und beide buhlen kräftig, jeder auf seine Weise, um ihre Gunst. Bis es zur Katastrophe kommt.

Gwisdek sitzt beim Interview in einer charmant trödeligen „Übergangswohnung“ in Friedrichshain, die alte Wohnung ist gekündigt, aber die neue noch nicht ganz angemietet. Wieder so eine Phase: Seine Sachen stehen irgendwo in einem Keller, viele sind das nicht mehr, denn er zieht nur noch mit dem um, was in einen selbst gebauten Schrank passt, erklärt er.

Zum Trinken gibt es Leitungswasser, zum Knabbern Macadamia, die Königin der Nüsse. Vielleicht, weil es beim Nachdenken hilft, setzt er ein paar Mal die Brille auf und ab. Dann lässt er das Gespräch mäandern, erzählt davon, dass er drei Mal fast ertrunken ist, von seiner Familie, von Zynismus, der Vergangenheit. Gab es eigentlich auch eine rebellische Phase? Eine, in der er alles wollte, außer das Gleiche zu machen wie seine Eltern? „Rebellion war für mich, nicht erreichbar zu sein, weder von Eltern, noch von Freunden oder der Agentur. Sieben Monate wegzufahren. So habe ich mich abgegrenzt.“ Die Reiseleidenschaft scheint mit dem Beruf Hand in Hand zu gehen: „Als Schauspieler stellt man das Leben oft nur dar, kopiert oder abstrahiert es. Ich will es aber auch untersuchen. Sonst bin ich nur damit beschäftigt, etwas nachzuahmen.“

Er brauche Musik als Ausdrucksmittel, erzählt er, und verweist auf die Clips, die er als „Käptn Peng und Shaban“ mit seinem Bruder Johannes, der Filmmusiker ist, im Internet veröffentlicht hat. Bei Youtube hatten die Videos so hohe Klickzahlen, dass „man uns zu Konzerten eingeladen hat, ganz ohne den Namen Gwisdek“. Es klingt Stolz mit: Auch wenn die Eltern tolle Freunde sind, haben die Söhne es aus eigener Kreativität geschafft. Die Videos sind fast kleine Spielfilme, Gwisdek rappt sich durch minutenlange Collagen, textlich sicher und hintergründig wie die Mediengruppe Telekommander, musikalisch weniger elektronisch, fantasievoller, aber genauso groovy. Texte lernen gehört eben zum Handwerk.

Aber das ist es nicht, was Gwisdek zu einem erstaunlichen Schauspieler macht. Es ist eine subtile Sensibilität, gemischt mit der starken, ironischen, fast immer durchblitzenden Lakonie, die jeden Kitsch verhindert, die sogar Dramatiktränen trocknet. „Ich bin eigentlich gar nicht so ideal für die Schauspielerei“, sagt Gwisdek, „ich bin eher ein Kopfmensch.“ Doch manchmal „packt und überwältigt es mich“, und genau das versuche er, bei der Arbeit als Schauspieler hervorzurufen. Um den Mix gehe es ihm, aus Intuition und Kopfarbeit, aus den beiden Seiten eines Menschen, vielleicht auch aus seinen beiden Eltern. „Beide sind intuitive Spieler“, sagt Gwsidek. „Meine Mutter versucht immer, auch die Beschränktheit einer Rolle mitzuspielen, das finde ich sehr mutig. Mein Vater sucht sein Abenteuer eher in einer Überzogenheit, er will die Rolle zum Erlebnis machen.“

Im Sohn wohnt beides. Bühnen- und Rückzugsdrang. „Ich kann wochenlang alleine sein, im Wald schlafen, irgendwann kommt nach der Langeweile so ein Zustand der Offenheit und Gelockertheit, den ich sehr angenehm finde. Man hat nicht mehr die Verantwortung für die soziale Rolle, die man spielt.“ Das klingt weise. „Ich bin gleichzeitig Diogenes und Freddy Mercury“, sagt er dann, und diesen Spruch könnte man wieder rappen. Schlechtgelaunte würden diese entgegengesetzten Züge als fehlende Gradlinigkeit abtun, Wohlwollende als Offenheit und gesunden Selbstzweifel an einer Karriere unter den Argusaugen der Öffentlichkeit. Die Wohlwollenden sind in der Überzahl: Gwisdek wird kräftig prämiert, es gab beim diesjährigen Festival des deutschen Films für ihn den Filmkunstpreis in der Kategorie „Besondere Einzelleistung“. Für seine Rolle in Hermine Hunthgeburts „Väter – Denn sie wissen nicht, was sich tut“ wurde er 2008 mit dem GüntherStrack-Fernsehpreis ausgezeichnet, und als Schauspielschüler bekam er vor fünf Jahren den Solo-Darstellerpreis des Internationalen Schauspielschultreffens.

Und weil das Leben doch bitteschön noch mehr zu bieten haben sollte, dreht Gwisdek gerade neben Filmpressearbeit, Umzug und Musikprojekten noch einen Kurzfilm, als Drehbuchautor und Regisseur. Da muss er gleich hin, zur Probe, mit dem Fahrrad, „bin sehr aufgeregt“, sagt er. Robert Gwisdek ist noch lange nicht fertig. Er fängt gerade erst richtig an.

„Renn, wenn du kannst“ kommt am Donnerstag ins Kino.

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