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Robert Metzkes: Allein unter Frauen

Schönheit als Refugium: In der Villa Grisebach sind die Menschenbilder von Robert Metzkes zu sehen. Ein Atelierbesuch.

Fast sieht es hier aus wie im Innenhof eines altrömischen Landgutes. In der Mitte die gemauerte Zisterne, ringsum Oleander und Kosmeen, an der Südwand reife Tomaten. Mit gesenktem Kopf blickt ein bronzener Arlecchino hinter der Maske der Commedia dell’ Arte auf den Grund eines himmelblauen Plastikplanschbeckens. Die Gebäude sind in Berliner Fassadengrün gestrichen. Ehe Robert Metzkes und seine Frau, die Malerin Barbara Putbrese, das Gelände erwarben, hatte eine Malerfirma Haus und Stallungen genutzt.

Sein Handwerk erklärt er wie ein Schneider

Metzkes Atelier befindet sich direkt gegenüber der Trabrennbahn Karlshorst. Aus den ehemaligen Pferde-Boxen blicken den Besuchern nun menschliche Augenpaare an. Wie einst die Hausgötter stehen, sitzen oder liegen die fast lebensgroßen Terrakottaplastiken im Halbdunkel und sind in ihrer Lässigkeit ganz gegenwärtig. Eine dunkelhaarige Schöne aus Ton mit griechischer Nase scheint sich vom Fenster abzuwenden. Ihr Blick kreuzt den Raum mit nachsichtiger Strenge, hellwach, entrückt. Auf ihren Oberkörper ist ein farbiges Top mit Spaghetti-Trägern gemalt. Die Berührung des nackten Armes wirkt wie ein Schock. Die Oberfläche ist zart wie Haut, kühl und glatt, aber von unnachgiebiger Härte.

Leise bleibt Metzkes beim Rundgang durch sein Atelier im Hintergrund. Sein Handwerk erklärt er wie ein Schneider, der einen Anzug näht. Mit Draht trennt er vom Tonblock einzelne Platten ab, die er zu Röhren zusammensetzt. „Wie ein Topf ist auch ein Kopf eine Hohlform“, sagt er. Metzkes macht lange Pausen, wenn er über seine Arbeit spricht. Anfangs verrät nur der vorwitzige Schnurrbart seine Selbstironie, erst später mischen sich die Augen ins Gespräch. Immer wieder senkt er die Stirn, dann bleibt ein Satzanfang in der Luft hängen.

Familie als Vorbild

Während wir reden, sitzen wir in einem Nebenraum. Hier wird augenfällig, aus welcher Tradition Metzkes’ Kunst entstanden ist. An einer Wand hängt ein Teppich, den seine Mutter Elrid Metzkes gewebt hat. Wilde Tiere in der blauen Urwaldnacht, die Löwen mit imponierenden Schnurrbärten. An der anderen Wand hängt ein Bild seines Vaters, des Malers Harald Metzkes. Es ist in den gedämpften Blautönen eines Cézanne gehalten. Der französische Einzelgänger war mit seiner erdverbundenen Farbpalette Harald Metzkes großes Vorbild. „Die Familie ist ein wichtiger Punkt für mich“ sagt der Sohn. Seine Kunst ist nicht aus der Rebellion, sondern aus der Kontinuität gewachsen.

In der Ausstellung der Villa Grisebach ist eine Büste seines eigenen Sohnes zu sehen, ein junger Mann voller Entschlossenheit mit klarem Blick. Robert Metzkes hat ihn mit dem rauen, gebürsteten Pinselstrich seines Vaters bemalt. Die Farbe trägt der Künstler vor dem Brennen mit mineralisch eingefärbtem Tonschlicker auf, Engobe nennt sich diese Technik. Durch das natürliche Material erreicht er die frappierende Lebendigkeit und das innere Strahlen seiner Plastiken. Den Umgang mit dem Ton und die Technik des Einfärbens hat Metzkes von seiner Schwester, einer Keramikerin, gelernt.

Der Bildhauer ist 1954 in Pirna geboren, vier Jahre später zog die Familie nach Berlin. Zum Studium ging er nach Dresden, weil das „ein bisschen weiter weg war“, wie er sagt. Zunächst arbeitete er mit Bronze, bis er zufällig in die Töpferei seiner Schwester ausweichen musste, weil sein eigenes Atelier blockiert war.

"Wichtig ist nur das innere Bild"

Vor allem die Frauenfiguren aus Terrakotta verbinden antike Anmut und moderne Lockerheit. Ihre Schönheit ist kompromisslos: von vollkommener Unschuld und ohne jede Gefallsucht. Schönheit als Refugium in einer funktionalen Welt. „Frauen sind immer das Rätselhafte, das Fremde“, sagt der Künstler und senkt sofort die Stirn. „Im Mann sieht man eher sich selbst.“ Seine Kunst braucht die Distanz. Während Metzkes Frauen zu schweben scheinen, kleben die Männer am Boden. „Schwebende“ heißt tatsächlich eine Figur. Der Künstler hat eine Tänzerin gekippt, so daß sie nur mit Ellenbogen und Hüften aufliegt. Da lotet er in ambitioniertem Spiel aus, wie weit er den Ton zwingen kann, von der Erde abzuheben. Lautlos, gut gelaunt scheint die kleine Frau davon zu fliegen.

In der Villa Grisebach begegnen wir auch „Mona“ wieder, jener dunkelhaarigen Schönheit, die das Atelier bewacht. Sie ist ein Modell im Alter seiner Tochter. „Aber“, sagt Metzkes, „wichtig ist nur das innere Bild. Deshalb muss man das Modell nach Hause schicken, bevor die Plastik fertig werden kann.“

Unabhängigkeit spricht aus diesen Menschenbildern. Sie ist im Arbeitsprozess angelegt: „Manchmal“, lacht der Künstler, „macht das Material, was es will.“ Er trägt es mit Gelassenheit. Eigenwilligkeit ist ihm selbst nicht fremd. Über zwanzig Jahre ist er seinen Weg gegangen und still bei sich geblieben. Seine schönen Frauen lassen sich berühren und bleiben dennoch unerreichbar.

Villa Grisebach, Fasanenstr. 25, bis 31. 10.; Mo – Fr 10-18.30, Sa 11-16 Uhr.

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