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Kultur: Rock: Arme Sünder

Vorgruppen sind selten erfreulich. Heute heißt die Vorgruppe Botanica.

Vorgruppen sind selten erfreulich. Heute heißt die Vorgruppe Botanica. Ihr Sänger klingt wie eine Kreuzung aus Jim Morrison, David Byrne und Pfanni-Knödel. Anstrengend. Im Pfefferberg wird es immer voller und enger. 16 Horsepower haben eine Menge Fans. Obertongrunzen vom Introband. David Eugene Edwards, ein semmelblonder Junge mit Brian-Jones-Frisur, sitzt auf einem Barhocker, quetscht und zieht eine Zieharmonika zum Reggae-Beat. Er hat zwei Mikrofone: durch das eine klingt er wie am Telefon mit zugehaltener Nase, durch das andere, als würde ihm ständig jemand die Kehle zudrücken. Sein Großvater war Wanderprediger, heißt es, aufgewachsen sei er streng alttestamentarisch. Und als Büßer muss er jetzt diese düstere, freudlose Musik machen, um sich den Leibhaftigen vom Hals zu halten. Und macht ordentlich Lärm mit der Bottleneckgitarre. Mit dem anderen Gitarristen brettert er dicke Klangwände gegen das Böse. Ein Trommler trommelt, und der Bassist ist ein Exorzist, der einem die Eingeweide durchrüttelt. Es ist eine Erholung, wenn sie eine Art Appalachische Volksmusik spielen. Dann wieder startender Düsenjet. Manchmal glaubt man, an der Anlage sei etwas kaputt, aber das soll wohl so sein. Alles klingt seltsam künstlich. Ein bisschen Grunge, ein bisschen Folk, ein bisschen Nick Cave, ein paar Surf-Zitate und immer diese finster monotone Predigerstimme. Die Gemeinde gerät in Verzückung und gelangt zu Vergebung und Erlösung. Einige arme Sünder allerdings haben irgendwann genug von all dem Jammer und Gejammer. Ungetröstet und Beladener als vorher sehen sie zu, dass sie schnell in die U-Bahn springen und nicht davor.

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