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Großherzig und gut gekleidet. Rolf Zacher.

© dpa

Rolf Zacher zum 70.: Der Zampano braucht Liebe

Schauspieler, Sänger, Selbstdarsteller: Rolf Zacher, Kultfigur und Berliner Nervensäge, wird 70. Eine energetische Begegnung.

Ein Lieber ist er, ein ganz, ganz Lieber, der Rolf Zacher. Heute wenigstens. Sonst ja häufig nicht so in den vergangenen 70 Jahren. Da war er alles außer lieb: Schulabbrecher, Dieb, Junkie, Knacki, Macker, Wüterich, Prasser, Pleitier, Frauenverschleißer, Kinderverlasser, Bürgerschreck, Aufschneider. Und was er noch ist: Schauspieler, Sänger, Buchautor, Berliner und Selbstdarsteller, mit Hingabe.

„Wie geht’s?“, flötet Rolf Zacher, lächelt durch die dunkle Sonnenbrille und beißt einem Schokobären den Kopf ab. Die gibt es zu einer Suite im Interconti gratis dazu. Das Haus in der Budapester Straße ist Zachers Stammhotel, schon seit seinen ersten Filmerfolgen im alten West-Berlin Mitte der Sechziger. „Möchten Sie einen Whiskey?“, fragt er schelmisch und nippt an seinem Medizinfläschchen. Mit der häufig beteuerten Abstinenz scheint es immer noch nicht durchgehend zu klappen. Sein Führerschein ist mal wieder weg. Und das ausgerechnet zum runden Geburtstag. Wo Rolf Zacher am 28. März 1941 doch sogar im Auto zur Welt kam. Im Taxi, in der Fridolinstraße in Lichterfelde, auf dem Weg ins Krankenhaus, wie er in seiner abenteuerlichen Autobiografie „Endstation Freiheit“ schreibt.

Er trägt Schal, Wollmütze, Turnschuhe und am Sakko ein purpurnes Einstecktuch. Das muss sein. Sein Großvater, der Schneidermeister, habe immer gesagt: „Egal, was du tust, mach’ Qualität und trage Qualität.“ Das hat sich der kleine Rolf-Dieter, dessen Vater im Krieg blieb, genauso gemerkt wie Opas zweiten goldenen Rat: „Sei offen und grüße jeden Menschen.“

Als Star des neuen deutschen Films unter Regisseuren wie Ulrich Schamoni, Peter Lilienthal, George Moorse, Michael Verhoeven, Hans W. Geißendörfer oder Reinhard Hauff sei er immer grüßend auf dem Ku’damm rumgerannt, erzählt er. Erst aus Eitelkeit, um zu testen, ob ihn die Leute erkennen. „Aber dann habe ich einfach so alle begrüßt. Das mache ich heute noch, das bringt Energie zurück, da wächst der Kern.“ Mitmenschlichkeit sei nun mal die wichtigste Nahrung, spricht der weise Zacher, der seit seinen Hippietagen Yoga macht und meditiert.

Kalt ist ihm trotzdem noch. Er musste schon in aller Herrgottsfrühe in Brandenburg aufbrechen. Doch langsam bringt das Reden Leben in den zerknautschten Jubilar. Die Mütze ist schon runter, Schal und Sonnenbrille folgen. Zacher ist ein Kaltblüter, der in der Sonne auftaut. Was ihn wärmt, ist Aufmerksamkeit.

„Könnten Sie bitte auf der rechten Seite Platz nehmen?“, bittet er. „Ich sprech’ nicht so gerne nach links übers Herz.“ Und er spricht nicht so gerne von Wohnort und Drogen. Da wird der Charmebolzen schmallippig. Soll er. Wen kümmert’s, ob Rolf Zacher in Steglitz, in eigener Villa oder bei mildtätigen Freunden in Brandenburg lebt. Und die Sache mit dem Heroin ist sowieso aktenkundig. Schnee von gestern. Boulevardstorys von heute: Erst neulich hat er erzählt, dass Tantra-Sex seine neue Altersdroge sei und er außer Hannelore Elsner und Iris Berben noch 298 weitere Frauen hatte. Der große Zampano, da ist er wieder. Egomane, Mythomane – Rolf Zacher ist sich selbst der Größte. Eine Haltung, die er mit Rolf Eden teilt, der zwar kein Künstler ist, sondern Kapitalist, aber genauso wie Zacher eine seit Jahrzehnten über die Grenzen Berlins bekannte Nervensäge und Kultfigur, die im Alter einfach wegen ihrer Steherqualitäten kanonisiert gehört.

Jetzt ist Rolf Zacher richtig in Fahrt. Die Neugier auf das Leben sei es, die ihn immer angetrieben habe. Nicht nur in Dramen wie „Endstation Freiheit“, seinem Comeback nach der Heroin-Zeit, für das er 1982 den Deutschen Filmpreis bekam. Sondern auch als kleiner Junge, als er auf dem Heimweg von der Schule in Steglitz zum Ärger der geliebten Mutti nie direkt nach Hause ging, sondern sich in den Seitenstraßen bei Metzgern und Schustern im Laden herumtrieb. „Wer immer nur die Hauptstraße geht, versäumt so viel.“

Inzwischen steht er mitten in der Juniorsuite, hält Brandreden gegen Banken, Atomkraft und die Verrohung der menschlichen Seele, klatscht in die Hände, singt ein Sternenlied und spricht weitere ewige Wahrheiten wie „Das Leben ist ein Mysterium“ und „Wir müssen unsere zertrampelte Sinnlichkeit wieder entdecken“. Die ist denn auch das große Thema in Rolf Zachers neuem Buch. Im Februar 2012 kommt es raus, hofft er.

Schreiben, Konzerttourneen und Lesungen machen ihm inzwischen viel mehr Spaß als die Filmerei. In 250 Filmen hat er mitgewirkt – zuletzt etwa unter Dani Levy und Oskar Roehler, auch in Serien wie „Liebling Kreuzberg“, „Der Havelkaiser“ oder der Telenovela „Rote Rosen“. Und er hat zahlreiche Schauspieler und Figuren synchronisiert, wie jüngst im Animationsfilm „Rango“. Aber so richtig Lust habe er nicht mehr dazu. Die meisten Angebote seien Schrott. Und außerdem: „Mit 70 ist keine Zeit mehr, seine Träume vor sich herzuschieben.“ Als da wären? Er lacht. „Die verrät man nicht.“

Dass er nach unzähligen Exzessen und Abstürzen überhaupt so alt geworden ist, findet Zacher selbst erstaunlich. Leute wie Rainer Werner Fassbinder, Diether Krebs oder Bernd Eichinger hätten ihm immer prophezeit, er sei mit 50 tot, weil er so extrem gelebt habe. Und nun sind die alle vor ihm gestorben. „Weil sie die Bremse nicht rechtzeitig gezogen haben“, analysiert Zacher. „Du kannst nicht immer den Teufel reiten. Irgendwann zieht er dir den Stecker raus.“

Sein Album „Latest Hits“ von 2008 übrigens, dem im September ein weiteres folgen soll, ist zwar keine sängerische Großtat; aber wenn Zacher das Posieren und Quatschmachen zugunsten leiser Balladen aufgibt, wird es zärtlich und schön. „Wenn man so bekannt ist und die Leute einen so lieben, dann hat man ja auch eine Macht“, sinniert er. Die müsse man nutzen, um anderen zu helfen. „Auf die Menschen zugehen, die Energie austauschen.“ Er habe sich das eben immer getraut.

Und jetzt macht er es schon wieder. Hilfe, Zacher breitet die Arme aus. Widerstand gegen seine Umarmung ist zwecklos und der große Mann erstaunlich fragil. „Nicht auf den Rücken klopfen“, rügt er, „das behindert den Energiefluss.“ Aha. „Noch mal drücken“, fordert er, und nimmt einen zart in die Arme. Der Rolf Zacher ist eben ein Lieber, ein ganz Lieber.

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