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Kultur: Roman: Liebe machen von A bis Z

Es war kein Zufall. Auch kein Masterplan.

Es war kein Zufall. Auch kein Masterplan. Vielleicht ein bisschen Glück. Vor allem war es naheliegend. Und weil man sich über das Wahrscheinliche nicht aufregen muss, spricht Rebecca Casati ruhig und selbstverständlich über sich und ihren ersten Roman. O. K., es geht alles ein wenig schnell, und es ist auch komisch, dauernd Fragen gestellt zu bekommen, statt selber welche zu stellen. Aber sonderlich nervös scheint es sie nicht zu machen, dass "Hey Hey Hey" jetzt überall besprochen wird, dass sie in der Show von Harald Schmidt war und dass es schon Interessenten für eine Verfilmung gibt.

Rebecca Casati war bereits seit einiger Zeit am richtigen Ort, bei "jetzt" und dem "SZ-Magazin". Sie beschäftigte sich mit den richtigen Sachen, mit Pop, Promis und Mode. Und sie kannte die richtigen Leute: das Quintett von "Tristesse Royal", die Macher des Internet-Salons "Pool" (www.ampool.de), Elke Naters und Sven Lager, und jede Menge Journalisten. Zudem sieht sie gut aus. Irgendwann musste das der deutschen Popliteratur-Branche auffallen, die ständig nach neuen Autoren sucht. Dabei geraten auch immer wieder Journalisten in den Blick. Viele Genregrößen und Debütanten kommen aus den Medien: "Faserland"-Autor Christian Kracht war Volontär bei "Tempo" und Indien-Korrespondent des "Spiegel", Alexa Hennig von Lange verfasste Drehbücher fürs Fernsehen. Wer schreiben kann, könnte interessant sein. Edelfedern wie Alexander Osang ("Die Nachrichten") zu Romanen zu überreden, drängt sich als Idee geradezu auf.

In Casatis Fall reagierte vor etwa zwei Jahren der Berliner Literaturagent Matthias Landwehr als erster. Er kannte die Texte der gebürtigen Hamburgerin aus dem Magazin der "Süddeutschen Zeitung", für das sie damals arbeitete. Neben Reportagen und Interviews schrieb sie dort abwechselnd mit Moritz von Uslar die Kolumne "Wie sehen Sie denn aus?" (als Buch bei Heyne), in der Prominente einer witzig-strengen Stilkritik unterzogen wurden. "Ich hatte nebenbei schon immer längere Geschichten im Kopf, die nicht ins Magazinformat passten, sondern eher zwischen Buchdeckel", sagt die 30-Jährige. Viele Ideen "lungerten im Computer herum" und warteten. Als erstes erschien dann die Kurzgeschichte "Auenstraße", in der vier hippe Leute sich auf einer Vernissage beispielhaft zickig und neurotisch verhalten. Die Geschichte wurde in der Anthologie "Mesopotamia" (Deutsche Verlagsanstalt) veröffentlich, herausgegeben von Christian Kracht - einem alten Freund von Rebecca Casati. Die beiden hatten sich Anfang der neunziger Jahre vor einem Hamburger Club kennen gelernt. Derzeit sind sie gemeinsam auf Lesereise.

Eine auf der Festplatte herumlümmelnde Idee war auch "Hey Hey Hey", als Matthias Landwehr bei Rebecca Casati anfragte, ob sie nicht mal ein Buch schreiben wolle. Sie sagte Ja, war engagiert und haute in die Tasten. Den halben Tag arbeitete sie für das Magazin "Glamour", den Rest des Tages hockte sie mit ihrem Beagle Kit zu Hause und erfand einen jungen Münchner Schnösel, der nur eins im Kopf hat: "Ich ficke mich einmal durchs Alphabet." Der Beatles-Fan und Amazon-Redakteur will seinem Leben dadurch einen Sinn geben. Systematisch macht er sich an sein kaltes Werk, das nur zweimal kurz in Gefahr gerät - als er so etwas wie Liebe für seine Opfer empfindet. Casati feilte bereits an den Don-Juan-Episoden ihres namenlosen Erzählers, als sich Ulrich Genzler, Geschäftsführer des Münchner Heyne-Verlags, nach Prosa von ihr erkundigte. Zufällig sollte sie einen Tag später bei der Eröffnung einer Schwabinger Galerie aus dem Manuskript lesen. Sie lud Genzler ein. Er war schnell überzeugt von der Geschichte, die beim Publikum gut ankam.

Bald waren sich Autorin, Agent und Verlag einig: Das Casati-Debüt sollte bei der Heyne-Tochter Diana erscheinen. Außerdem wurde ein Vorschuss ausgehandelt, den der "Spiegel" auf 150 000 Mark schätzte. Unter einem großen Foto von Casati beschrieb das Magazin "die neue Vorschusspanik" auf dem deutschen Büchermarkt. Ganz oben auf der Liste: Benjamin Lebert ("Crazy"): Für seine nächsten drei Bücher erhält er angeblich 1,8 bis 2 Millionen Mark von Kiepenheuer & Witsch - der höchste Vorschuss, den ein deutscher Nachwuchsautor je erhielt.

Den "Spiegel"-Artikel findet Rebecca Casati, die schon mit zehn Jahren Journalistin werden wollte, "für ein Faktenmagazin ein wenig seltsam". Zu der Höhe ihres Vorschusses möchte sie nichts sagen. Auch ihr Lektor Tilo Eckardt verrät die Summe nicht, versteht allerdings auch den Wirbel nicht: "150 000 Mark wären viel Geld, aber für einen Vorschuss keine horrende Summe." In den USA bezahle man inzwischen für manchen Creativ-Writing-Kurs mehr. Außerdem sei es nichts Ungewöhnliches, Vorschüsse zu zahlen - Hauptsache, die Kalkulation gehe auf. Und das scheint sie zu tun: Die erste Auflage des im August erschienenen Hardcover-Buches (8000 Exemplare) ist bereits verkauft, die zweite wurde gerade ausgeliefert. Das Ziel, eine fünfstellige Stückzahl der gebundenen Ausgabe (Preis: 35,07 Mark) an die Leser zu bringen, ist bald erreicht. In ein bis eineinhalb Jahren folgt das Taschenbuch, von dem mindestens eine Verdreifachung des Hardcover-Ergebnisses erwartet wird. Neben Else Buschheuer wird der Diana-Verlag damit die zweite Pop-Autorin in seinem Programm etabliert haben.

"Hey Hey Hey" ist sicher kein großer Roman. Er rauscht in wenigen Stunden durch den Kopf. Es gibt keine Widerhaken und keine dramatischen Höhepunkte, dafür viele amüsante, kurzweilige Passagen. Alle Pop-Zutaten sind vorhanden: gute Musik, coole Großstadtmenschen, ein bisschen Kaputtheit und eine lockere Sprache. Man denkt kurz an Benjamin von Stuckrad-Barres "Soloalbum", noch kürzer an Bret Easton Ellis, und dann ist es auch schon wieder vorbei. So funktioniert das Genre, und man kann ihm das nicht ernsthaft vorwerfen.

Ob Pop oder nicht, die Literatur von jungen deutschen Autoren und Autorinnen scheint nach dem Boom vom Ende des letztens Jahrhunderts einen festen Platz in der deutschsprachigen Bücherwelt gefunden zu haben - und vor allem ein Publikum. Von den Käufern des Internetbuchhandels Amazon hat Rebecca Casatis Buch schon zweieinhalb Sterne und ein knappes Dutzend Rezensionen bekommen. Gute Aussichten für den nächsten Roman, an den sie sich nach der Lesereise setzen möchte - genug Ideen lagern bereits im Computer. Ganz die Seiten wechseln möchte sie allerdings nicht: "Ich bin Journalistin, und das bin ich auch gerne", sagt sie. Schließlich kommt das Geld für die Miete immer noch von den kleinen und nicht von den großen Texten.

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