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Kultur: Rudolf Scharping: Verliebt im Pool

Sie heißt: Kristina Pilati von Thassul zu Daxberg-Borggreve. Dann folgt der nüchterne Zusatz: "geborene Paul".

Sie heißt: Kristina Pilati von Thassul zu Daxberg-Borggreve. Dann folgt der nüchterne Zusatz: "geborene Paul". Denn die "Gräfin" in ihrem Namen stammt aus einer früheren Ehe. Aber egal.

Sie ist die Minne des Ministers. Rudolf - ohne von - Scharping und seine Gräfin sind verliebt. Beide fangen noch mal von vorn an mit der Liebe. Dagegen gibt es nichts einzuwenden, das ist, im Gegenteil, wunderbar.

Sie taten, was Deutsche tun, wenn sie einander finden: Sie reisten nach Mallorca. Dort taten sie, was Leute tun, wenn sie nach Mallorca reisen: Sie plantschen im Wasser. Aber dann unternahmen sie etwas Befremdliches. Jedenfalls für einen Verteidigungsminister, der soeben Soldaten ins Krisengelände abkommandiert: Die Liebenden luden die "Bunte" ein, ihr Ferienglück zu dokumentieren. Dachten sie, es könne in Mazedoniens Staub und Hitze erfrischend auf die Truppe wirken, den Boss im Poolwasser umherspritzen zu sehen? Wollten sie, er als Galan mit Gräfin, sie als Adelige mit Sozi, die Truppe zum träumen bringen?

Wahrscheinlich ist, dass sie wenig dachten, sondern viel fühlten. Aufs Schönste kommt in dieser Inszenierung die größte Gefahr für die Macht im Medienzeitalter zum Vorschein. Neben dem Liebesrausch nämlich scheint es ein Bilderrausch zu sein, der das Paar gepackt hat. Im Taumel erblicken wir zwei den Kinderfasching nachfeiern, der einst die Märchen zum Leben erweckte. Von Schneewittchen und dergleichen entwickelte sich der Bilderpool später fort: Hinzu kamen Hollywoodfilme, Duschgelwerbung, Urlaubsprospekte, "Gloria-Romane" und wer weiß was noch alles. Das gesamte virtuelle Universum des Visuellen und Illusionären entfaltete sich in der Psyche des Ministers und der Gräfin - je mehr sie beide aufstiegen aus der Zeit des Kinderfaschings in die Zone der Adelsbälle und Galabanketts. Da war kein Halten mehr. Im Wirbel zwischen Märchenbuch und Werbetrailer selbst eine Hauptrolle spielen zu dürfen, das hat den Verteidigungsminister fortgerissen. Ja, das kann auch Sozialdemokraten passieren. Wie einst die Frau ihren schlichten Mädchennamen verlor, so kam dem Mann irgendwann der Sinn für die Realität abhanden. Er hob ab. Während der amerikanische Präsident George Bush noch eine Ebene weiter zielt - er hebt gleich in den Weltraum ab - bleibt das deutsche Modell gleichwohl europäisch-irdisch. Zwischen Adel und Mallorca, also alter Welt und modernem Tourismus-Paradies, bleiben sie auf dem roten Teppich.

Scharpings Märchen nähme sich nahezu rührend aus, wäre er nicht im Amt. Ja, Frau Paul und Herr Scharping sind ein köstliches Lehrstück für Machtanalyse. Und der Verteidigungsminister kann nur noch eins verteidigen: sich. Vielleicht wacht er dabei auf, und merkt, wie der Kaiser im Märchen, dass er kaum was anhat. Nur eine Hose, mit der man baden geht.

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