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Kultur: Rückblick: Blute nur: Matthäuspassion im Kammermusiksaal (Klassik)

Wenn zu Beginn einer Novelle ein Gewehr beschrieben wird, das an der Wand hängt, wird es irgendwann auch benutzt. Ähnlich ist es wohl mit guten Stimmen.

Wenn zu Beginn einer Novelle ein Gewehr beschrieben wird, das an der Wand hängt, wird es irgendwann auch benutzt. Ähnlich ist es wohl mit guten Stimmen. An denen fehlte es Heribert Breuer an diesem Karfreitag nicht für seine Aufführung von Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion im Kammermusiksaal. Breuers Berliner Bach Akademie ist ein exzellenter Chor aus geschulten Amateuren, der sich mit seinem Volumen und seiner Intonationssicherheit hören lassen kann - gerade auch neben seinen Gästen vom Coro de la Comunidad de Madrid, die ihr Geld als professionelle Chorsänger verdienen. Die Solistenriege verbreitet dazu allein durch die Aneinanderreihung prominenter Namen Wohlklang, schon bevor überhaupt die erste Note gesungen wird: Simone Nold, Katharina Kammerloher, Clemens Bieber, Kwangchul Youn und Siegfried Lorenz haben alle ihre Meriten auf den Berliner Opernbühnen erworben. Leider verführt das Verlangen oder das Gefühl der Notwendigkeit, die eigene schöne große Stimme hören zu lassen, die männlichen Solisten zu einem Schmettern der Rezitative, das Bach in die Nähe von Sandalenfilmen wie "Das Gewand" oder "Ben Hur" rückt. Schade, denn bei der auffallend durchgearbeiteten Festnahme Jesu hörte man, dass die Herren auch feinsinniger singen können, wenn sie nur wollen.

Doch dies ist einer der wenigen Wermutstropfen in einer ansonsten durchdachten, genau vorbereiteten, deutlich artikulierten, klar phrasierten, stets satt und sämig klingenden Aufführung. Breuer gehört nicht zu denen die das Werk in seiner Historizität zu begreifen suchen, seine Zerknirschungsmetaphorik mit rhetorischem Eifer vortragen. Trotz aller frischen Phrasierung im recht durchdringenden Orchesters der Bachakademie ist sein Weg einer der ehrfürchtigen Annäherung. Seine Aufführung betont bewusst das Monumentale, sie schwärmt von Bachs frappierenden Dissonanzen und verleiht den Zentnerworten einen Ausdruck ungebrochener persönlicher Betroffenheit.

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