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Kultur: Rückblick: Klassik: Für die Kunst

Entdecker, Wiederentdecker, Anwalt des Vernachlässigten und Ungewöhnlichen - das ist Gerd Albrecht geblieben, seit er 1962 zum ersten Mal bei "RIAS stellt vor" das damalige "Radio-Sinfonie-Orchester Berlin" dirigierte. Auch zum vierzigjährigen Dirigierjubiläum, das ihn ans Pult des heutigen "Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin" zurück brachte, machte Albrecht diesem Ruf alle Ehre.

Entdecker, Wiederentdecker, Anwalt des Vernachlässigten und Ungewöhnlichen - das ist Gerd Albrecht geblieben, seit er 1962 zum ersten Mal bei "RIAS stellt vor" das damalige "Radio-Sinfonie-Orchester Berlin" dirigierte. Auch zum vierzigjährigen Dirigierjubiläum, das ihn ans Pult des heutigen "Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin" zurück brachte, machte Albrecht diesem Ruf alle Ehre. Die "Symphonie für großes Orchester" von Boris Blacher entwickelte unter seiner präzisen Leitung funkelnde Vitalität, die bei allem komplexen Klang-Überschwang stets klare Struktur wahrte. Mit frechen Akzentverschiebungen unterläuft diese Musik ihr eigenes Pathos - erstaunlich, dass Blacher, bei den Nazis nicht gerade wohl gelitten, sie 1938 noch uraufführen konnte. Noch spöttischer treibt es das wohl ursprünglich als Finale vorgesehene "Rondo" - ein augenzwinkernd in Latino-Rhythmen vordriftendes Pizzikato-Stück, das hier seine überfällige Uraufführung erlebte.

Den frühen Hindemith entdeckte Albrecht, als der Komponist selbst noch seine Sturm- und Drang-Phase bekämpfte. So erklangen die "Drei Gesänge für Sopran und Orchester" op. 9 erstmals 1974. In ausufernder, die Spätromantik transzendierender Klangekstase sind sie Expressionismus reinsten Wassers, neben dem der Richard Strauss der "Salome" oder "Elektra" arm aussieht. Mit urgesundem, überwältigend intensivem Sopran durchdringt Gabriele Fontana das schwer befrachtete Satzgeflecht, das Albrecht seinerseits zum Oszillieren, zum transparenten Leuchten bringt. Transparenz, zarte Nuancen, sinnliches Flair enthüllen auch die Köstlichkeiten der Ouvertüren "In der Natur", "Karneval" und "Otello" von Antonin Dvorak. Denn das Herz des ehemaligen Chefdirigenten der Tschechischen Philharmonie schlägt für die böhmische Musik. Schlägt aber vor allem ungebrochen für das Neue auch von gestern - "die Welt vergisst so schnell", meint er dazu, und dass seine verdienstvolle Konzertreihe "Wege zur Neuen Musik" vom SFB aus "kleinlichem Quotendenken" eingestellt wurde, macht ihn heute noch zornig. Auch dafür erhielt er im Großen Sendesaal stürmischen Applaus.

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