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Kultur: Rückblick: Rock: Angestochene Vene

Eigentlich ist das ColumbiaFritz ein angenehmer Konzertort. Scheußlich allerdings, wenn sich mehr Leute quetschen als Platz haben, wenn man qualvoll gepfercht stehen und auf die Vorgruppe warten muss.

Eigentlich ist das ColumbiaFritz ein angenehmer Konzertort. Scheußlich allerdings, wenn sich mehr Leute quetschen als Platz haben, wenn man qualvoll gepfercht stehen und auf die Vorgruppe warten muss. Ein junges kantiges Trio aus New York mit einem Gitarristen, der aussieht wie ein vierzehnjähriger Lou Reed und einer Sängerin, die hysterisch kreischt und neckisch ihr Kleidchen hochzieht zum eckigen Veitstanz in Cowboystiefeln. New-Wave-Punk wie in den 80ern. Im Publikum stecken sich alle eine Zigarette an und brennen sich gegenseitig Löcher in Pelz und Lungen. Weil die Luft knapp wird, flieht man ganz nach hinten. Von der Jon Spencer Blues Explosion ist da nichts mehr zu sehen außer den wehenden dunklen Haaren und Koteletten des Chefs während seiner dynamischen Luftsprünge. Ab und zu die Blumenkohlfrisur des Drummers, der auf seine Trommeln und Becken prügelt. Und es hört sich so an, als stünde links noch ein weiterer Gitarrist. Harter Riffrock, steinige Funkgitarren, Bo-Diddley-Beat auf Speed. Die R & B-Soul-Vene schwer angestochen. Bis Blut kommt. Aus den Ohren. Höllenlärm. Jon Spencer ist ein veritabler Shouter. Leib und Seele unter Starkstrom. Roh, grob, ungehobelt. Die Gitarren knattern wie morsche, zerfetzte Fahnen im Sturm. Es quietscht, fiept, flackert. Der Saal beginnt sich zu drehen, kippt zur Seite. Das Gehirn fängt an, gegen die Schädeldecke zu schwappen. Da können alle Black Rebels ihre Motorcycle einpacken. Trotzdem ist man froh, wenn es nach 70 Minuten vorbei ist.

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