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Kultur: Rückblick: Weltmusik: Zartbitter

Etwas abgemagert sieht sie aus, blass und erschöpft: Spuren eines dicht gedrängten Tourneeprogramms, das sich Cesária Evora für acht Monate im Jahr auferlegt hat. Doch ihre Ausdruckskraft kommt sowieso nicht in manierierter Gestik zur Geltung, sondern vor allem in der klaren, fülligen Stimme.

Etwas abgemagert sieht sie aus, blass und erschöpft: Spuren eines dicht gedrängten Tourneeprogramms, das sich Cesária Evora für acht Monate im Jahr auferlegt hat. Doch ihre Ausdruckskraft kommt sowieso nicht in manierierter Gestik zur Geltung, sondern vor allem in der klaren, fülligen Stimme. Und die ist auch zehn Jahre nach ihrem internationalen Siegeszug ungebrochen. Angefangen hatte die 60-jährige Sängerin in den Hafenbars ihrer kapverdischen Heimat, wo sie barfuß schwermütige Mornas und getragene Coladeras interpretierte. Als sie dann ein Landsmann nach Europa holte, eroberte die "barfüßige Diva" ihr neues Publikum fast im Handumdrehen: Mit "Sodade", einem Lied, das die bittersüßen Tränen Portugals und dessen ehemaliger Kolonien besingt, landete Cesária Evora auf den vorderen Plätzen der Weltmusikcharts. Schließlich reiste sie von den Kapverdischen Inseln über Brasilien bis auf die Großen Antillen und erweiterte ihr bodenständiges Repertoire um fröhliche Cha Cha Chas. Auf der gut besuchten Museumsinsel steht Evora nun vor einem 14-köpfigen Orchester, das den früheren, sanft wogenden Rhythmus von Kontrabass, Gitarren und hellen Cavaquinhos durch ein wuchtiges Schlagzeug aufgepeppt hat. Und neben dem Klavier tummeln sich aufgekratzte Latin-Bläser und schmeichelnde Streicher, die dafür sorgen, dass die Musik über drei Kontinente hinweg zum tanzbaren Schlager taugt. Im unermüdlichen Drive, mit dem die tropische Bigband durch die drei bis fünf Minuten langen Stücke jagt, geht allerdings auch die persönliche Note der Sängerin unter. Wo bleibt da die Muße für einen Schluck Brandy, eine Zigarette auf der Bühne oder gar für die Zugabe?

Roman Rhode

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