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Kultur: Rücken an Rücken mit der Natur Kunstdialog: Nitsche und Havekost in Potsdam

Der Brandenburgische Kunstverein sieht momentan so aus wie ein illuminiertes, in die Natur gesetztes Kunstwerk. Wenn man Abstand nimmt und aus weiter Entfernung durch die aluminiumgerahmte gläserne Fassade schaut, erkennt man figurativ gestaltete Malereien.

Der Brandenburgische Kunstverein sieht momentan so aus wie ein illuminiertes, in die Natur gesetztes Kunstwerk. Wenn man Abstand nimmt und aus weiter Entfernung durch die aluminiumgerahmte gläserne Fassade schaut, erkennt man figurativ gestaltete Malereien. Es sind die gigantischen Werke von Frank Nitsche, die die Sicht ins Innere des Ausstellungspavillons versperren. Sie setzen sich mit der Umgebung, mit der Potsdamer Freundschaftsinsel auseinander und sind so etwas wie eine Variation der Natur in der Natur. Sattes Grün schiebt sich in mattes Grau, während geometrische Symbole die Struktur des Museumshauses imitieren. Das Spiel aus Farben und Formen deutet an, was sich im Garten verbirgt: zugefrorenes Leben und frei wuchernde Pflanzen. Die Werke sind gewaltige Konstruktionen, die einen Dialog bilden zwischen Kunsthaus und Ausstellungsort, abstrakter Malerei und Wirklichkeit. Schnell wird man mit der Frage konfrontiert, wo hier eigentlich die Ästhetik aufhört und die Natur beginnt.

Kurator Gerrit Gohlke geht aber noch einen Schritt weiter. Er hat nicht nur Frank Nitsche überzeugt, sich mit dem ungewöhnlichen Ausstellungsort in eigens produzierten Werken zu beschäftigen. Er hat auch den Dresdener Künstler Eberhard Havekost gewinnen können, auf Nitsches Abstraktionen direkt zu antworten und die nach außen zeigenden Bilder von innen zu kommentieren. Wenn man in den Kunstverein tritt, hängen seine farbintensiven Malereien an weißen Stellwänden, die eine Art Grenze darstellen zwischen seinen Werken und den gewaltigen Arbeiten von Nitsche.

Es sind sperrige Rücken-an-Rücken- Kommentare. Auch Havekost spielt mit der Frage, wie Bilder eine Naturerfahrung kopieren und die Wirklichkeit in piktorale Elemente übersetzen können. Man glaubt, auf den Malereien Sonnenuntergänge, Horizonte und verzerrte Wolkengebilde zu erkennen. In Wahrheit ist jedes Bild unscharf, verschwommen und unbestimmbar. Havekosts Werke erinnern an defekte Flatscreens, die stabile Informationen nicht mehr transportieren, sondern nur noch als vage Assoziationen andeuten können. Der Betrachter schwenkt auf eine verzerrte Weltsicht ein. Doch gerade dadurch beginnt man sich wichtige Fragen zu stellen: Ist das Bild ein verlässlicher Übermittler der Realität? Kann Kunst unserem Alltag auf die Schliche kommen? Oder umgekehrt: Wo verläuft die Grenze zwischen Werk und Wirklichkeit?

Eine zweite Serie von Havekost, die sich auf der anderen Seite im kubusartigen Pavillon befindet, will genau diese Grenze verwischen. Die Bilder zeigen zufällig dahin gemalte, energetisch verteilte Farbstreifen. Es sind Pinselausstriche, die während der Arbeit an anderen Werken entstanden sind – Überreste des künstlerischen Arbeitsprozesses, die nun im Kontext des Museums eine autonome ästhetische Kraft entfalten. Man fühlt sich als Betrachter ein wenig gefoppt; bis man begreift, dass die Irritation zum Programm gehört. Tomasz Kurianowicz

Freundschaftsinsel Potsdam, Ausstellungspavillon, Di–So 8–17 Uhr, bis 25.3.

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