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Kultur: Rückschau: Klassik: Klavierhammer

Während sonst jeder französische Pianist mindestens einen Debussy oder Ravel im Gepäck hat, gibt es bei François Frédéric Guy weder impressionistisches Geflimmer noch große Virtuosität à la Chopin. Dafür anspruchsvollste Klassik und Moderne, die dem Publikum im Schauspielhaus den begeisterten Applaus schwer macht.

Während sonst jeder französische Pianist mindestens einen Debussy oder Ravel im Gepäck hat, gibt es bei François Frédéric Guy weder impressionistisches Geflimmer noch große Virtuosität à la Chopin. Dafür anspruchsvollste Klassik und Moderne, die dem Publikum im Schauspielhaus den begeisterten Applaus schwer macht. Bachs "Englische Suite" Nr. 1 in A-Dur gerät da noch am verbindlichsten und kann doch eine gewisse Monotonie nicht abstreifen. Guy sprüht weich pedalisierten Oberflächenglanz über die polyphone Struktur, plätschert in zahllosen, wie improvisiert hingeworfenen Girlanden nach Art der Clavecinisten. Das ist nicht stilecht, aber kreativ. In "Preludium und Fuge d-moll" aus dem Bach nachempfundenen Zyklus op. 84 von Dmitri Schostakowitsch beweist Guy umso mehr "architektonischen" Weitblick, baut in der Fuge ein zartes "altrussisches" Motiv zu fast schmerzhafter Oktavgewalt auf. Und dann muss es ausgerechnet die "Hammerklaviersonate" sein. Ja, ist er dafür denn nicht viel zu jung? Nein, ist er nicht. Im opus summum des Beethovenschen Klavierschaffens, an dem sich so manche alte Klavierhasen die Zähne ausbeißen, erreicht der 32-Jährige große Form. An den Brüchen und Lücken hakt er sich, der am liebsten zeitgenössische Musik spielt, mit Experimentierlust fest, zeigt im plötzlichen Stillstand einer Bewegung, mit überlangen Pausen oder starken Akzenten: hier bricht Beethoven mit aller Konvention des überkommenen "Schönen", begeht mit Lust Regelverletzungen. Schönberg ist nahe in unverhohlener Dissonanz, in krassen harmonischen Schnitten. Besser haben das auch die Alten vom Schlage eines Rudolf Serkin nicht gespielt.

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