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Kultur: Ruf im Dunkeln

Eine Diskussion über den arabischen Herbst.

Kurz nach Beginn leert sich der überfüllte Zuschauerraum im Instituto Cervantes ein wenig. Es gehen wohl diejenigen, die das Kleingedruckte nicht gelesen haben und bei einer Veranstaltung mit dem Titel „Eröffnung 8 arabische Filmemacherinnen“ mit acht arabischen Filmemacherinnen gerechnet haben. Tatsächlich sitzt mit der Ägypterin Amal Ramsis lediglich eine Regisseurin auf der Bühne, die das von ihr mitorganisierte Programm mit Filmen von acht Kolleginnen vorstellt. Neben ihr der Arabist Bernabé López, als Moderatorin die Journalistin Julia Gerlach. Es ist der Auftakt zur Reihe „Kunst und Revolte“ der Akademie der Künste und des Instituto Cervantes, die sich mit den Umbrüchen in den arabischen Gesellschaften befasst, in Diskussionen, Lesungen, Workshops.

Amal Ramsis, die ihre zensurkritische Dokumentation „Forbidden“ beisteuert, will zeigen, dass die Arabellion nicht so unerwartet ausgebrochen ist, wie vom Ausland wahrgenommen, sondern sich jahrelang angebahnt hat. Daher wählte sie Filme aus, die vor der Revolution entstanden, in Ägypten, Tunesien, Algerien, Syrien, dem Libanon. Nur die eindringliche Al-Dschasira-Reportage „Shouting in the Dark“ über den niedergeschlagenen Aufstand in Bahrain wurde erst 2011 gedreht. „Auch vor der Revolution haben Frauen sich geäußert und auf ihre Situation aufmerksam gemacht“, sagt Ramsis. „Aber erst seit der Revolution hört man uns zu.“

Bernabé López spricht anschließend über den „arabischen Herbst“: Die Wahlen in Tunesien, Marokko und Ägypten im Herbst hätten verdeutlicht, dass es sich um konservative Gesellschaften handele, die konservative Regierungen wollen. Ramsis widerspricht: „Was wir im Moment erleben, ist nicht das Ergebnis der Revolution, sondern eine Konterrevolution.“ Sie sei weiterhin optimistisch. „Die Machtstrukturen hat die Revolution nicht verändert, aber die Menschen. Sie geben nicht kampflos auf, sondern protestieren, bis sie ihr Ziel erreicht haben.“

Als Julia Gerlach auf den wachsenden Einfluss islamistischer Kräfte zu sprechen kommt, entgleist die Diskussion. Sichtlich genervt, immer wieder auf den Islamismus angesprochen zu werden, verfällt Ramsis in Populismus. „Was macht es für einen Unterschied, ob in Ägypten jemand die Muslimbrüder oder in Deutschland jemand die CDU wählt?“, fragt sie und erntet Applaus. Bernabé López versachlicht das Gespräch wieder und argumentiert, die Macht in Ägypten liege nicht bei den Islamisten, sondern bei Militär und Wirtschaft. Wenn 80 bis 90 Prozent der Ägypter wollen, dass der Islam in der Politik eine Rolle spielt, dann geht es ihnen um eine politische Moral, die sich gegen Willkür, Korruption und Vetternwirtschaft wende. Doch López’ Beschwichtigung verpufft. „Politische Ethik gibt es in Deutschland doch auch nicht“, empört sich eine Zuschauerin, „ wenn einem korrupten Politiker wie Christian Wulff Ehrensold zugesprochen wird“. David Assmann

Kunst + Revolte. Bis 6. März, Akademie der Künste und Instituto Cervantes

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