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Kultur: Ruft Capitão Nascimento!

Brutale Polizisten: Der Thriller „Elitetruppe“ sorgt in Brasilien für Skandal

Das Kommando hat eine Favela in Rio de Janeiro gestürmt, nun liegt ein Dutzend Jugendlicher tot am Boden. Da klingelt das Handy von Hauptmann Nascimento. „Leute, es gibt was zu feiern“, ruft er. „Ich kriege einen Sohn.“ Die Männer mit den Totenköpfen auf dem Barett jubeln.

Es ist eine der vielen umstrittenen Szenen des Thrillers „Tropa de Elite“, der in Brasilien alle Zuschauerrekorde bricht und eine heftige Debatte über die grassierende Gewalt und Korruption ausgelöst hat. Noch vor dem Kinostart wollte die Polizeiführung von Rio den Film über eine paramilitärische Eliteeinheit verbieten lassen. Doch da hatten ihn schon 12 Millionen Brasilianer gesehen – auf illegal gebrannten DVDs, den „cópias piratas“. Eilig wurde der Kinostart vorverlegt. Seitdem stehen Schlangen von Menschen vor den Kinos, täglich wollen rund 70 000 den kontroversen Film sehen.

In atemraubendem Tempo erzählt „Tropa de Elite“ (deutsch: Elitetruppe) die Geschichte der Bope: dem „Batalhão de Operações Policiais Especiais“, einer in den Favelas wegen ihrer Brutalität gefürchteten Eliteeinheit. Kritiker werfen Regisseur José Padilha vor, die Bope, deren Symbol ein Totenschädel mit zwei gekreuzten Pistolen ist, faschistoid zu verherrlichen; seine Fans erwidern, dass er die Realität des Drogenkriegs zeige.

Ursprünglich wollte Padilha einen Dokumentarfilm über die Bope drehen. Da er die Männer aber nicht vor die Kamera bekam, zeichnete er ihre Aussagen auf. „Tropa de Elite“, der voraussichtlich auf der nächsten Berlinale zu sehen sein wird, erhebt also den Anspruch, eine wahre Geschichte zu erzählen. Originalschauplätze, improvisierte Dialoge und eine hektische Handkamera verstärken den Eindruck der Unmittelbarkeit.

Hintergrund der Handlung ist der Rio- Besuch des Papstes 1997. Die Bope bekommt den Auftrag, eine Favela „zu säubern“, weil man von dort das Haus des Bischofs überblickt, wo der Papst nächtigt. Die Favela wird, wie fast alle der 700 Slums in Rio, von einer schwer bewaffneten Drogengang beherrscht. Außerdem gibt es dort eine Gruppe weißer Studenten, die einen Kindergarten betreibt – und mit Marihuana handelt. Die NGOs, die in den Favelas arbeiten, laufen Sturm gegen diese Darstellung. Der Regisseur verteidigt sie mit dem Argument, dass jeder Drogenkonsument mitverantwortlich für den Drogenkrieg sei, der täglich Leben fordert. Pro Jahr werden in Rio rund 6000 Menschen ermordet.

Doch auch an der Polizei lässt Padilha kein gutes Haar. Sie ist durch und durch korrupt und tauscht Waffen mit den Drogengangs aus. Als eine Leiche am Strand gefunden wird, befiehlt der Einsatzleiter: „Todesursache: Ertrinken.“ Ein Polizist erwidert: „Aber da sind doch Einschüsse.“ Antwort: „Bist du jetzt Rechtsmediziner?!“ An anderer Stelle heißt es über die Polizei: „Entweder du lässt dich bestechen, du hältst die Schnauze oder ziehst in den Krieg.“

Die Bope, ganz klar, zieht in den Krieg. Sie ist im Gegensatz zur normalen Polizei ein Hort der Effizienz und Männlichkeit. Bei der Oberschicht Brasiliens stößt diese Härte auf große Zustimmung. Hauptmann Nascimento schmückt die Titelseiten der Zeitschriften, ein Fernsehmoderator, dem man die Rolex gestohlen hatte, schrie: „Ruft Capitão Nascimento!“ Und auf den Straßen werden Puppen mit dem Konterfei des Schauspielers Wagner Moura verkauft, der Nascimento als rücksichtslosen Perfektionisten gibt.

Die Ikonisierung ist umso erstaunlicher, weil Regisseur Padilha, der 2001 mit dem Dokumentarfilm „Ônibus 174“ bekannt wurde, ein widersprüchliches Bild der Bope zeichnet. Die Elitepolizisten stülpen Jugendlichen Plastiktüten über den Kopf, drohen, sie mit Besenstielen zu vergewaltigen und erschießen sie aus nächster Nähe. „Der Folterheld“, bringt die progressive Zeitschrift „Carta Capital“ die Ambivalenz auf den Punkt.

Die Gewalt wird dabei ungeschminkt und roher gezeigt als in dem Erfolgsfilm „City of God“. Was übertrieben erscheint – etwa als ein Sozialarbeiter von den Drogenkids in die sogenannte Mikrowelle, eine Röhre aus Reifen, gesteckt und lebendig verbrannt wird –, ist in Rio keine Seltenheit. Polizisten wie Favelabewohner stimmen den Darstellungen zu.

Mittlerweile diskutiert auch der Kongress in Brasilia über mögliche Konsequenzen aus „Tropa de Elite“. Während die Rechte fordert, endlich das Militär einzusetzen, glaubt die Linke weiterhin an soziale Projekte. Ändern wird sich vermutlich nichts. Der brasilianische Staat ist schwach und korrumpiert – und der Drogenhandel für zu viele Beteiligte ein einträgliches Geschäft.

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