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Kultur: Ruhe nach dem Sturm

Eine

von Bernhard Schulz

Die Zahl ist beeindruckend. Gestern konnte der 150000. Besucher in der Friedrich Christian Flick Collection begrüßt werden – nur elf Wochen nach der Eröffnung der umstrittenen Sammlung im Hamburger Bahnhof der Staatlichen Museen Berlin.

Umstritten? War da was? Man reibt sich die Augen. 150000 Besucher und kein Protest? Zwei Anschläge auf die Kunst, ja; aber dabei handelt es sich nicht um Protest, sondern um Straftaten. Der politische Widerspruch jedoch blieb aus.

Man muss sich beinahe schon ins Gedächtnis zurückrufen, dass die Akquisition der Flick-Sammlung von einer der heftigsten Kontroversen begleitet worden war, die hierzulande nach 1945 in Sachen Kunst ausgefochten wurden. Mit 1945 ist zugleich das historische Datum bezeichnet, das die Flick-Sammlung über die Biografie ihres Eigentümers mit der unseligen Vergangenheit des Nazi-Regimes verbindet. Nicht so sehr der Sammler – wiewohl heftig angegriffen –, vielmehr die deutsche Vergangenheit der Jahre 1933 bis 1945 stand im Mittelpunkt. Die Vergangenheit, die nicht vergehen will, sie wurde einmal mehr nach bundesdeutschem Ritual beschworen, um sie nur ja von uns weisen zu können.

Kluges und weniger Kluges ist in dieser Kontroverse geäußert worden; umso weniger klug, je mehr Wortmeldungen es gab. Auch das gehört zum Ritual. Doch mit der Eröffnung der Flick Collection verstummten auch die lautesten Kritiker. Nun ist’s die Kunst, um die es geht – Kunst, auch dies zur Erinnerung, die nichts, gar nichts zu tun hat mit der Vergangenheit, die da stellvertretend an Friedrich Christian Flick abgearbeitet wurde. Dieses Bedürfnis ist mittlerweile erloschen. Das Interesse an der Kunst hingegen ist groß – und ungebrochen. Man darf es als Indiz werten für die Reife einer Gesellschaft, dass sie eine solche Stellvertreterdebatte derart beiläufig beendet.

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