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Kultur: Runde Null

Peter Laudenbach beobachtet den „Theaterkrieg“ beim Theatertreffen Zuerst sah es so aus, als ob die Theaterkrise diesmal ausfallen würde. Im Berliner Festspielhaus brannte eine Sicherung durch, und die angekündigte Podiumsdiskussion mit dem pathetischen Titel „Theaterkrieg“ drohte zum Opfer der fehlenden Stromversorgung zu werden.

Peter Laudenbach beobachtet den „Theaterkrieg“ beim Theatertreffen

Zuerst sah es so aus, als ob die Theaterkrise diesmal ausfallen würde. Im Berliner Festspielhaus brannte eine Sicherung durch, und die angekündigte Podiumsdiskussion mit dem pathetischen Titel „Theaterkrieg“ drohte zum Opfer der fehlenden Stromversorgung zu werden. Was hätte das für ein schönes Signal für die Bühnenwelt sein können! Denn darum geht es doch schließlich im Theater: Um das stilsichere Durchknallen und die überraschende Wendung. Kein KrisenLamento, nirgends! Und all die eingespielten Theatertreffen-PodiumsdiskussionsRituale, in denen zwischen melancholischen Kulturpessimisten, ärmelhochkrempelnden Pragmatikern und radikalen Visionären alle Rollen, Argumente und Positionen längst vergeben und mehrfach besetzt sind, hätten einem entspannten Gespräch weichen können. So hätte man vielleicht einmal etwas anderes erfahren, als dass „an den Theatern herumgeschnipselt wird, dass einem angst und bange werden kann“ (Jürgen Flimm), oder dass es „ganz offensichtlich keine politischen Konzepte gibt, mit der Krise umzugehen“ (Adrienne Goehler), oder dass volle Theater irgendwie besser seien als leere (Thomas Krüger).

Ja, so wäre die inzwischen mehr als nur genreübliche Krise des Theaters vielleicht sogar härter, illusionsloser und selbstkritischer beschrieben worden als in den gängigen öffentlichen Geplänkeln. Aber dann hat doch noch ein Techniker eine neue Sicherung reingeschraubt, die Kameraleute des ZDF-Theaterkanals machten sich an die Arbeit, und der frühere Thalia-Intendant Jürgen Flimm sagte lauter merkwürdige Sätze: „Die Tarifverträge sind ganz wunderbar!“ Oder: „Die Theaterleute haben so gut wie gar keine Fehler gemacht!“ Wahrscheinlich muss er solche Sätze sagen, schließlich ist er Präsident des Deutschen Bühnenvereins. Nur fragt man sich, weshalb es dem Theater denn so schlecht geht, wenn alle alles so prima gemacht haben.

Die Intendantinnen Elisabeth Schweeger (Frankfurt/Main), Johanna Schall (Rostock), Amelie Niermeyer (Freiburg) berichteten aus den Niederungen des kulturpolitischen Alltags, in dem es von kunsthassenden Kommunalpolitikern zu wimmeln scheint. Der Pragmatiker Flimm wünschte sich, was seit Jahren alle vernünftigen Leute wünschen, die Abkoppelung des Theaters vom Öffentlichen Dienst. Adrienne Goehler, wie immer erfrischend unverzagt, kündigte an, mit den Gewerkschaften in den Clinch zu gehen („Seit wann ist Verdi das Gesetz in dieser Stadt?!“) und verblüffte die Runde mit der Forderung, die Bühnen sollten von Strukturen des Off-Theaters lernen, sowie mit dem Traum von einer „Stunde Null“, in der alle gewohnten Bequemlichkeiten und Gruppenegoismen radikal in Frage zu stellen wären.

Als man gegen Ende des Abends schon dachte, Flimm hätte es sich in der Rolle des Konsens-Onkels gemütlich gemacht, ereignete sich eine kleine Sensation: Der Bühnenvereins-Präsident und Kanzler-Freund räumte ein, dass das Papier zur Lage der Theater, das er mit anderen im Auftrag des Bundespräsidenten erarbeitet hat, Konflikte nicht deutlich genug benenne. Im nächsten Schritt gelte es, die Konflikte offen auszutragen, statt sie zu dämpfen. Klingt, als sei im Theater demnächst eine Agenda 2010 fällig.

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