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Kultur: Russland unter Eis: Der Frost erhitzt die Gemüter - Politiker werfen sich gegenseitig Misswirtschaft und Korruption vor

Seit Tagen schon trägt Premier Michail Kasjanow seinen massigen Kopf tief zwischen den Schultern: Die Energiekrise im russischen Fernen Osten, die Zehntausende dazu verdammt, einen ungewöhnlich harten Winter ohne Heizung, Warmwasser, Gas und mit langen Stromabschaltungen zu überstehen, ist Dauerbrenner auf immer neuen Krisensitzungen in Kreml und Regierung. Die kremlnahe Einheitspartei hatte Wladimir Putin schon in der vergangenen Woche aufgefordert, über die Region den Ausnahmezustand zu verhängen.

Seit Tagen schon trägt Premier Michail Kasjanow seinen massigen Kopf tief zwischen den Schultern: Die Energiekrise im russischen Fernen Osten, die Zehntausende dazu verdammt, einen ungewöhnlich harten Winter ohne Heizung, Warmwasser, Gas und mit langen Stromabschaltungen zu überstehen, ist Dauerbrenner auf immer neuen Krisensitzungen in Kreml und Regierung. Die kremlnahe Einheitspartei hatte Wladimir Putin schon in der vergangenen Woche aufgefordert, über die Region den Ausnahmezustand zu verhängen. Unmittelbarer Anlass waren erste handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen Miliz und Einwohnern, die den Rücktritt des Präsidenten forderten. Für den Kremlherrscher Grund genug, Kasjanow nach Strich und Faden öffentlich abzubürsten.

Gelöst werden die Probleme dadurch nicht. Zumal Regional- und Zentralregierung versuchen, sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben: Moskau wirft dem Verwaltungschef der Pazifik-Region, Jewgenij Nasdratenko, Versäumnisse bei der Winterbereitschaft vor. Der wiederum klagt über fehlende Zuschüsse aus dem Zentrum, mit denen die maroden Heizkörper und Rohrleitungen längst ausgewechselt werden sollten. Der Minister für Katastrophenschutz, Sergej Schoygu, stellte daher schon bei seinem ersten Besuch in der Region Anfang Dezember ein Ultimatum. Heißes Wasser und Fernwärme binnen zwei Wochen, anderenfalls rollen Köpfe.

Nun ist sogar der 15. Januar längst verstrichen, aber nichts hat sich geändert. Regierungschef Kasjanow, dessen Sessel nach düsteren Wirtschaftsprognosen für das laufende Jahr und Moskaus Offenbarungseid, seine Auslandsschulden nur teilweise bedienen zu können, ohnehin wackelt, setzte daher Katastrophenmanager Schoygu ein zweites Mal in Marsch. Kampfziel: Bis spätestens 1. Februar müssen in der Region Energie- und Fernwärmeversorgung "in vollem Umfang wieder hergestellt" werden.

Eine Aufgabe, an der selbst Götter verzweifeln müssen: In Fernost frieren, wie die Zeitung "Sewodnja" schreibt, momentan immerhin 91 000 Menschen - Opfer von verkorksten oder versäumten Reformen. Mitte der Neunziger bekam Russland vom Internationalen Währungsfonds ein Darlehen in dreistelliger Millionenhöhe für Strukturreformen in der Kohleindustrie. Doch statt in die maroden Gruben flossen die Greenbacks in dunkle Kanäle. Die Konsequenz: Die Flöze, in denen gegenwärtig Kohle abgebaut wird, sind nahezu erschöpft, und ihre Ausbeute bringt den Betreibern blutrote Zahlen. Für die Erschließung neuer Vorkommen aber ist kein Geld da. Zudem hatten Radikalreformer schon 1997 eine Reform der Wohnungswirtschaft gefordert.

Katastrophenschützer Schoygu musste bei seiner Inspektion eine Entdeckung machen, die dem in Moskau ungeliebten Gouverneur Nasdratenko definitiv das Genick brechen könnte. Vom Zentrum angewiesene Soforthilfe - 133 Millionen Rubel (rund 9,8 Millionen Mark) - wurde auf Konten der Regionalregierung geparkt, um Zinsen zu kassieren. Das reicht für ein Strafverfahren, in dessen Ergebnis Nasdratenko bis zu Neuwahlen die Geschäfte an Putins bevollmächtigten Vertreter für die Pazifikregion, Ex-General Konstantin Pulikowski, übergeben dürfte. Zumal der Kreml schon lange danach lechzt, ein Exempel an den selbstherrlichen Provinzfürsten zu statuieren, ohne es dabei mit der Bevölkerung zu verderben.

Wärmer wird den Frierenden von einem eventuellen Triumph der Gerechtigkeit jedoch nicht. Irgendwann, so die betroffenen Einwohner, die auch die neue, von Schoygu für den Gouverneur gesetzte Galgenfrist für nicht real halten, hören die Fröste von selbst auf. Wenn auch nur bis zum nächsten Winter. Doch so weit denken im Ursprungsland der Planwirtschaft angesichts der gegenwärtigen Instabilität weder Beamte noch Bürger.

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