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Kultur: Russlandbild mit Radieschen

FILM

Seit einiger Zeit kommen ausgerechnet aus Österreich die Filme, die wir auch aus unserem Land gern hätten. Nah an Menschen und Zeitproblemen, ernsthaft und humorvoll, intelligent und unaufwändig erzählt. Besonders Regisseurinnen sorgten auf Festivals und im Kino damit für Aufsehen: Barbara Albert („Nordrand“) und Jessica Hausner („Lovely Rita“), auch die HFF-Absolventin Valeska Grisebach („Mein Stern“), die ihren dokumentarischen Naturalismus nach Berlin mitbrachte. Auch Barbara Gräftner mit ihrem Langfilmdebüt gehört dazu. „Mein Russland“ , der letztes Jahr in Saarbrücken den Nachwuchsfilmpreis erhielt, taucht perfekt in die Abgründe des Wiener Kleinbürgertums ab – mit Kletterwand neben der Ledergarnitur und einer Designer-Galerie über der holzgedrechselten Essecke.

Das Haus gehört Margit, einer Bankangestellten in den Mittvierzigern, deren Sohn eine Ukrainerin heiraten will. Zur Hochzeitsfeier reist die bräutliche Großfamilie an, samt verwitwetem Vater, Babuschka und Annas vorehelichem Sohn. Margit, deren Russlandbild sich auf Kaviar, Wölfe und Doktor Schiwago beschränkt, legt zum Zeichen interkulturellen Wohlwollens Iwan Rebroff auf und schnitzt fürs Büffet Radieschen zu Kremlkuppeln. Doch bald entgleitet ihr die Macht im Hause; auch Sohn und Lebenspartner gehen auf Distanz. Zwischen Trinksprüchen, Bussi-Bussi und Geschäftsideen verschärfen sich die Konflikte. „Mein Russland“, das Porträt einer einsamen Frau, ist eine präzise Sozialsatire. Die Kamera hält dabei so nah aufs Objekt, dass es fürs Auge anstrengend wird. Auch die Ohren werden durch die russisch-wienerische Sprachmelange gefordert. Dafür bringt das Schauspielerteam um Andrea Nürnberger und Hannes Gastinger Figuren und Milieu wunderbar leicht auf den Punkt. Wie Valeska Grisebach hat auch Barbara Gräftner die Szenen in langen Sequenzen teilimprovisiert erarbeitet. Zwölf Tage dauerten die Dreharbeiten. Das Ergebnis überzeugt bis ins Detail (Moviemento, Nickelodeon).

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