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Sentimentale Reise. Der Gitarrist Ry Cooder bei einem Roadtrip.

© dpa

Ry Cooder zum 70.: Der Slide-Gitarren-Gott

Jubelnde, sumpfige Akkorde und schwer rollende Riffs: Ry Cooder ist bis heute der größte Virtuose an der Slide-Gitarre und gilt als Archäologe der Weltmusik. Eine Gratulation zum 70. Geburtstag.

Das Cover seines Debütalbums zeigt Ry Cooder auf der Kupplung eines aluminiumverkleideten Wohnwagens sitzend. Das außerirdisch aussehende Mobilheim steht auf einem ausgetrockneten See in der kalifornischen Mojave-Wüste, auf dem regelmäßig Hochgeschwindigkeitsrennen stattfinden. Passenderweise heißt der See El Mirage. Das Wunder. Der Gitarrist trägt Hut und einen ponchoartigen schwarzen Mantel. Ein Zaungast, von dem man nicht weiß, ob er aus der Zukunft oder der Vergangenheit kommt.

Die Stücke der 1970 herausgekommenen Platte, die vom genialischen Arrangeur Van Dyke Parks produziert wurde, vereinen beides: Vergangenheit und Zukunft. Ry Cooder spielt Folk-, Blues–, Country- und Vaudeville-Nummern von Woody Guthrie, Blind Willie Johnson oder Randy Newman, aber er lässt sie wie seine eigenen klingen. Er holt aus der Slide-Gitarre, deren größter Virtuose er bis heute ist, jubelnde, grummelnde und sumpfige Akkorde heraus, auch die schwer rollenden Riffs, wie man sie von den Rolling Stones kennt, mit denen er „Love in Vain“ und „Sister Morphine“ aufnahm. Nur einen Titel auf dem schlicht „Ry Cooder“ genannten Album hat der Multiinstrumentalist (unter anderem Mandoline, Saz und Bajo Sexto) selbst geschrieben: die fröhlich schunkelnde Country-Impression „Available Space“.

Studioaufnahmen für Clapton und Dylan, Filmmusik für Wenders

Ry Cooder, der vor siebzig Jahren, am 15. März 1947 in Los Angeles geboren wurde, hat den Weg vom gefragten Studiomusiker über den weniger gefragten Americana-Interpreten zum überaus gefragten Soundtrack-Komponisten zurückgelegt. Er spielte 1967 mit Captain Beefheart das Album „Safe as Milk“ ein, arbeitete mit Eric Clapton, Bob Dylan, Van Morrison und John Lee Hooker, gründete 1992 mit seinen Freunden John Hiatt, Nick Lowe und Jim Keltner die Supergroup Little Village, die nur eine Platte lang existierte. Was bleibt? Sicher die Filmmusiken, die Cooder zu Walter Hills Western „The Long Riders“, zum texanisch-mexikanischen Einwandererdrama „Grenzpatrouille“, zum Blues- und Roadmovie „Crossroads“ und zu Wim Wenders’ Meisterwerk „Paris, Texas“ lieferte. Das wüstenhaft karge, atmosphärisch-assoziative Wehklagen der Slide-Gitarre begleitet den Filmhelden Travis (Harry Dean Stanton) auf der Suche nach seiner Ex-Geliebten (Nastassja Kinski). Eine Peepshow wird zum Schauplatz der Wiederbegegnung.

Cooder hat auch die Musik für Wenders’ Dokumentarfilm „Buena Vista Social Club“ produziert, er hat sich für die Wiederentdeckung von Mali-Blues, Hawaiimusik und Mariachi-Bläsern eingesetzt. Deshalb wird er als Archäologe der Weltmusik gefeiert. Doch Cooder sagt: „Ich bin bloß jemand, der gern Musik macht, zu Hause sitzt, Geschichten sammelt und dazu Gitarre spielt. Ich warte dann, dass das Telefon klingelt oder jemand mit einer Idee vorbeikommt.“ Die besten Ideen aber, davon darf man ausgehen, hat dieser Musikentdecker stets selbst.

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