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Sacha Baron Cohen ist „Der Diktator“: Der Unterleibhaftige

Kampf der Demokratie! Sacha Baron Cohen ist „Der Diktator“ und knüpft sich die Zunft der Tyrannen vor.

Ali G ist unter die Diktatoren gegangen und nennt sich jetzt Aladeen. Der Gangsta-Rapper mit Jamaika-Mütze und getönter Brille hat – bis auf Letztere – sein Outfit gegen Generalsuniform und Mullah-Bart eingetauscht: General Aladeen ist der letzte Despot auf dieser Erde, seinen Film widmet er in loving memory seinem vorletzten Kollegen, Kim Jong Il aus Nordkorea. Da die anderen Kumpels – Saddam, Gaddafi, Osama und wie sie alle heißen – auch fast alle schon tot sind, wird es höchste Zeit, dass Aladeen mal die Uno aufmischt.

Mit „Der Diktator“ wagt sich der britische Extremkomiker, Schauspieler, Produzent und Koautor Sacha Baron Cohen an die (spätestens seit Charlie Chaplins „Der große Diktator“) höchste Hürde in der Humor-Disziplin und knöpft sich die Zunft der Tyrannen vor. Das ist schon deshalb schwerer, als Kasachstan beleidigen, Österreich veralbern, Madonna, Schwulenhasser und Bingospielerinnen brüskieren, weil man sperrangelweit offene Türen eintritt. Einen Typen mit den Waffen des schlechten Geschmacks vorzuführen, den eh keiner leiden kann, ist kein leichtes Unterfangen. Anders als bei der Verballhornung argloser Interviewpartner („Borat“) oder österreichischer Modestars („Brüno“) lassen sich aus der Karikatur ohnehin schon grotesker Despoten nur schwer humoristische Funken schlagen.

Aladeen also. Durchgeknallter Alleinherrscher des Operettenwüstenstaats Wadiya mit Palazzo Prozzo und vergoldeter Panzerlimousine, Israelhasser, Massenmörder, Atombombenbastler – auch Ahmadinedschad lässt grüßen. Als ordenbehängter Uniformträger hat der jüdische Comedian bereits die Oscar-Gala aufgemischt, Kim Jong Ils Asche um ein Haar über Halle Berry ausgekippt (es traf dann nur den TV-Moderator Ryan Seacrest) und auf Pressekonferenzen, Premieren und Internet-Grußbotschaften den PRProvokateur in eigener Sache gegeben. Schließlich kostete sein jüngstes, erneut im Verein mit Regisseur Larry Charles entstandenes Werk 58 Millionen Dollar, mehr als dreimal so viel wie „Borat“.

Vom Niederknallen der Konkurrenz beim Hundert-Meter-Sprint über Flirts mit dem Antisemitismus und die Ironisierung grausamer Folter bis zur geköpften Leiche eines Schwarzen kapriziert Cohen sich wieder auf drastische politische Unkorrektheiten. Amerika nennt er die Brutstätte von Aids; in seine Despotenliste nimmt er kurzerhand Dick Cheney mit auf und rattert am Ende vor den Vereinten Nationen eine derart rasante Negativbilanz der US-Demokratie herunter, dass die militante Verteidigung der Tyrannei nur logisch erscheint. Obendrein reichert er den „Diktator“ mit Stars wie Ben Kingsley und John C. Reilly an – und mit Gemeinheiten gegen Sympathen, allen voran gegen die hübsche Feministin Zoey (Anna Faris), Besitzerin eines New Yorker Bioladens.

In dieses Asyl verschlägt es den General, nachdem sein Uno-Auftritt mittels Dissidentenkomplott und Aladeen-Entführung zunächst vereitelt wird. Es folgen Verwechslungsklamauk mit Despotendouble, Gegenkomplott und Ökofundamentalisten-Schmäh, der dem Zuschauer noch die witzigsten Passagen der 80-Minuten-Klamotte beschert. Wie Aladeen die laschen Geschäftspraktiken der Veganer auf Vordermann bringt – touché!

Leider rückt Cohen auf diese Weise weniger dem Arabischen Frühling zuleibe, als dass er mit einem simplen Plot auf Nummer sicher geht, einschließlich Lovestory. Dass der Film – noch so ein PR-Gag – auf Saddam Husseins Propagandaromanze „Zabibah und der König“ basiert, stimmt nur insofern, als auch Aladeen als einsamer, nach Kuschelerotik lechzender Herrscher auftritt, allen leicht bekleideten Escortmädchen-in-Uniform zum Trotz. Auch Eddie Murphys „Prinz von Zamuda“ stand übrigens Pate.

Überhaupt setzt „Der Diktator“ auf Zoten, einschließlich einer amourösen Fingerhakel-Szene in der Vagina einer gerade gebärenden Bio-Kundin. Aladeen, der Unterleibhaftige? Sex statt Politik: Das Ausweichmanöver wird zur Spaßbremse, denn die Politik, zumal der Kampf gegen den Terror, taugt ja mindestens ebenso gut für scharfe Sottisen. Am Ende ist Cohen immer dann am besten, wenn er sich in Rausch und Rage redet, sich in Sprachspielereien verliert, im Delirium der Worte, Dialekte, Akzente,Zitate (OV oder OmU gucken!). Kein Wunder, dass ausgerechnet die Entdeckung der Masturbationsfreuden dem „Diktator“ einen echten Höhepunkt beschert.

Ab Donnerstag in 24 Berliner Kinos. OV: Babylon Kreuzberg, Alhambra, Arcaden Neukölln, Titania Palast, Cinestar Sony-Center. OmU: Alhambra, Central, Cinemaxx Potsdamer Platz, Cineplex Spandau, Cubix, FT am Friedrichshain, Kino in der Kulturbrauerei

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