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Kultur: Sag mir, wo die Brücken sind

Die Biennale versammelt Künstler aus aller Welt. Noch nie waren so viele Berliner dabei. Ein Gruppen-Porträt

Sie kommen aus Südafrika, Italien, Dänemark, Großbritannien, Island, Tschechien, den Vereinigten Staaten, Rumänien oder Argentinien. Sie arbeiten mit Video und Fotografie, Skulpturen oder Rauminstallationen. Die meisten sind zwischen 1965 und 1976 geboren. Und sie leben und arbeiten alle in Berlin.

Wer in diesen Tagen über die 51. Internationale Kunstbiennale in Venedig spaziert, begegnet Berlin an allen Ecken. Nicht nur am deutschen Pavillon, der zum zweiten Mal von Julian Heynen kuratiert wurde, treten zwei Berliner auf, der Maler und Bildhauer Thomas Scheibitz und der Performance-Künstler Tino Sehgal. Auffälliger noch ist die Vielzahl der internationalen Künstler, die in Venedig ausstellen und aus Berlin kommen.

Es sind Künstler wie Monica Bonvicini, Candice Breitz, Robin Rhode, Mark Wallinger, Gitte Villesen, Jan Mancuska,Daniel Knorr, Tacita Dean, Jimmie Durham, Edgardo Rudnitzky und Antoine Prum. Sie alle sind irgendwann als Stipendiaten des DAAD, des Instituts für Auslandsbeziehungen, des Künstlerhauses Bethanien oder anderer Institutionen in die Stadt gekommen. Sie haben Sprachkurse beim Goethe-Institut belegt und Ateliers gesucht. Viele fanden in der regen, jungen Galerieszene auch ihren Galeristen. Und viele von ihnen blieben.

Nur New York, Madrid und London scheinen derzeit ähnlich attraktiv. Dabei sind es nicht nur die niedrigen Wohnungs- und Atelierpreise, die die Künstler nach Berlin locken. Auch die Lage der Stadt zwischen Ost und West, die vielfältigen historischen Spuren im Stadtbild finden ihren Widerhall in den Kunstwerken, die in Berlin entstehen. Und natürlich ist es die besondere Situation einer Umbruchszeit, in der sich Anfang der Neunzigerjahre rund um die Auguststraße in Mitte eine Kunst- und Galerieszene entwickeln konnte, die inzwischen immer weiter an die Ränder diffundiert. Allenthalben ist Neuaufbruch, Erlebnishunger und Lust am Experiment zu spüren. Und in kaum einer Stadt wuchert die Kunstproduktion seit Mitte der Neunziger so vielfältig wie hier.

Das hat sich herumgesprochen. Die Biennale-Kuratorinnen Maria de Corral und Rosa Martínez sind in Berlin fündig geworden. Und nicht nur bei den Künstlern finden sich Wahlberliner, auch hinter den Kulissen ist Berlin aktiv. Marius Babias kuratiert den rumänischen Pavillon, während andere für die Pavillons der Niederlande und Griechenlands tätig sind. Venedig:eineBerlinerErfolgsgeschichte.

Kleiner Wermutstropfen dabei: In den Kunstinstitutionen Berlins ist von den hier ansässigen internationalen Künstlern kaum etwas zu sehen. Der Neue Berliner Kunstverein zeigt immerhin eine Ausstellung von Daniel Knorr, Tacita Dean war für den Preis der Nationalgalerie nominiert, eine Olafur Eliasson-Ausstellung im Hamburger Bahnhof war hingegen lange geplant und fand nicht statt. Einzig die Privatsammlungen sind da offener. Die Vielfalt der Berliner Kunstszene, die sich nicht, wie Leipzig oder Düsseldorf, auf ein Genre wie Malerei oder Fotografie beschränkt, vermarktet sich nicht so gut. Die „Kunst der Berliner Republik“ ist hier noch lange nicht angekommen.

Biennale di Venezia, bis 6. November. Informationen unter www.labiennale.org

Marie-Luise Knott, Christina Tilmann

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