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Kultur: Salonstücke, Sehnsuchtsorte

Jubiläum, aber noch kein Jubel: zur Eröffnung des 40. Berliner Theatertreffens mit „Emilia Galotti“ aus Wien

Natürlich steht bei der Auswahl des Theatertreffens nicht nur die einzelne Inszenierung, sondern immer auch das Tableau eines Theaterjahres zur Debatte. Die Wiener „Emilia Galotti“ der Andrea Breth mag da ein willkommen gediegenes Gegengewicht setzen zu den heftigeren Sachen, die noch kommen. Gleichwohl – und Tableau hin oder her – : Wenn man bedenkt, dass die exemplarische „Galotti“ des Michael Thalheimer im Vorjahr keine Gnade fand, stellt sich Verärgerung ein, ja Unverständnis.

„Andrea Breth ist keine Regisseurin, die einem Text Gewalt antun würde. Dass das Stück dennoch wie neu entdeckt wirkt, ist das Wunder eines Abends, an dem das gute alte psychologische Theater noch einmal zeigt, was es kann“, erklärt Theatertreffen-Juror Wolfgang Kralicek, Wien. Nun ja: Bei der Breth’schen Eröffnung im Berliner Festspielhaus sehnte man sich nach Thalheimer’scher Frische und Klarheit. (Auch wenn die Methode Thalheimers, klassische Texte zu entkernen und über den Laufsteg zu dirigieren, nicht immer und ewig funktioniert.) Andrea Breth modernisiert ihren Lessing auch, aber nur halbherzig. Jazzmusik läuft im Hintergrund, der Prinz (Sven-Eric Bechtolf) raucht wie ein Filmstar, zeigt auch mal seinen nackten Hintern. Der Grundton der Aufführung erinnert an Botho-Strauß-Salonstücke der später Siebzigerjahre – während das Design der Bühnenbildnerin Annette Murschetz irgendwie italienisches Kino der Sechziger assoziiert. Und die Figuren sind sämtlich so eindimensional angelegt wie in einem Fernseh-Adelsdrama: der Maler Conti (Wolfgang Michael) genialisch verschlampt, der böse Intrigant Marinelli (Roland Koch) ein aalglatter Karrierepolitiker, die Gräfin Orsina (Andrea Clausen) zickig-mondän und Emilia (Johanna Wokalek) eine höhere Tochter. Richtig unangenehm aber stößt einem der eitle Grundgestus der Burg-Schauspieler auf. Man erkennt: Nicht das psychologische Theater ist altmodisch, sondern dieses Getue und Gespreize. Dieses Seht her, wir können auch modern.

Andrea Breth kam nicht zum Applaus auf die Bühne. Mied sie das Haus, die ehemalige Freie Volksbühne, weil sie hier einmal, es war im Jahre 1980, als junge Regisseurin unter Intendant Kurt Hübner mit der „Emilia Galotti“ Schiffbruch erlitten hatte?

Ein schwacher Auftakt. Aber das Theatertreffen, das 40., hat ja erst begonnen. Kulturstaatsministerin Christina Weiss hielt zur Eröffnung eine dezidiert kulturpolitische Rede. Sie forderte Mut: „Ohne tiefgreifende Strukturreformen sind unsere Institutionen, unsere Museen und Theater nicht überlebensfähig.“ Dabei könne der Bund den notwendigen Umbau nur helfend begleiten, anregen und moderieren. Christina Weiss kündigte die Auslobung eines Deutschen Theaterpreises an, einer „Inszenierungshilfe“ (gedacht ist an eine Dotierung mit 250 000 Euro). Und sie fügte hinzu: „Berlin bleibt Sehnsuchtsort des deutschsprachigen Theaters.“ Theatertreffen-Mitbegründer Henning Rischbieter erinnerte in seiner Rede (Tagesspiegel vom 3. Mai) an die wilden Sechzigerjahre: an Kortner und Zadek, an den umkämpften Aufbruch in die Moderne.

Die Party stieg im oberen Foyer – in Club-Atmosphäre, vor der Kulisse malerischer Haifisch-Videos. Jocelyn B. Smith sang feinen Jazz, ein DJ vom Volksbühnen-Prater legte auf. Und die große Frage, ob das Theatertreffen ohne das gute, alte Spiegelzelt überleben kann, lässt sich schon mal mit Ja beantworten. Wozu hat man denn ein Festspielhaus, wenn nicht zum Feiern!

Rüdiger Schaper

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