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Kultur: Samthandschuhe

Wo sind sie geblieben, die Hummel, die Thalberg und Tausig, all diese schillernden Schmetterlinge der Klaviermusik, die zwischen den Tasten wie zwischen bunten Blüten herumgaukelten, dabei dem staunenden Publikum ihre virtuosen Zauberkünste vorgaukelten! Eine unbarmherzige Zensur des "guten Geschmacks" hat die Vorläufer und Zeitgenossen Chopins und Liszts in die Mottenkiste der Musikgeschichte verbannt.

Wo sind sie geblieben, die Hummel, die Thalberg und Tausig, all diese schillernden Schmetterlinge der Klaviermusik, die zwischen den Tasten wie zwischen bunten Blüten herumgaukelten, dabei dem staunenden Publikum ihre virtuosen Zauberkünste vorgaukelten! Eine unbarmherzige Zensur des "guten Geschmacks" hat die Vorläufer und Zeitgenossen Chopins und Liszts in die Mottenkiste der Musikgeschichte verbannt."Nachtfalter" oder "Man lebt nur einmal" heißen die Walzer-Kapricen nach Johann Strauß, die Carl Tausig, jung verstorbener Berliner Hofpianist und zeitlebens hochberühmter Virtuose, zu seinen "Nouvelles Soirées de Vienne" zusammenfaßte.Mit feinem Anschlag und eleganter Diktion erweckte Vladimir Stoupel diese kostbar funkelnden, vor allem harmonisch überraschenden Gebilde zu neuem Leben, sozusagen als kleine charmante Randbemerkung zum Festwochenthema Wien.Themen aus Mozarts "Figaros Hochzeit" zerlegt Johann Nepomuk Hummel mit trockenem Witz, pulverisiert sie gleichsam in Schüttelfiguren, rauschenden Arpeggien und Doppelgriffketten.Sigismund Thalbergs "Fantasie" über Schubert-Lieder umkleidet die berühmten "Daumenmelodien" mit glitzerndem Rankenwerk.Doch das faßt der in Berlin lebende russische Pianist beinahe zu sensibel, quasi mit Samthandschuhen, an.Zwischen den Extremen eines weich singenden Pianos und plötzlichen brillanten Kraftausbrüchen gibt es nur wenige Schattierungen, durch welche Mittelstimmen oder Baßlinien nicht nur duftiges Beiwerk zur süßen Kantilene sein könnten.So zerstäubt die Substanz.Das Kuriosum des Abends, die "Grande Sonate" d-moll für Gitarre und Klavier von Anton Diabelli krankt ebenfalls an übergroßer Feinheit des Gitarrentons von Carlo Marchione, der sich auch noch vom Publikum ab- und dem zurückhaltend sich anpassenden Pianisten zuwendet.So bleibt als nachhaltiges klanglich-geistiges Vergnügen eben doch Joseph Haydns Klaviersonate h-moll im Ohr, mit prägnanter Pralltriller- und Stakkato-Thematik, frechen Sprüngen in der Durchführung, einem Menuett mit drängendem Moll-Trio, einem trotzig-brillanten Finale.Der Rest rauscht, glitzert, verplätschert - wie die Donauwellen...

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