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Sarah Polley widmet sich in "Stories We Tell" ihrer eigenen Lebensgeschichte.

© promo

Sarah Polleys Film "Stories We Tell": Eine Regisseurin sucht ihre Wurzeln

Sarah Polley geht in dem Film "Stories We Tell" ihrer eigenen Geschichte nach. Erst nach dem Tod der Mutter erfuhr sie, dass diese ein Doppelleben führte.

Sie sollen die ganze Geschichte („The whole story, please!“) erzählen. So jedenfalls lautet die Regieanweisung der Filmemacherin an ihre Protagonisten, bevor Kamera und Mikrofone zur Aufnahme angestellt werden. Diese Szenen zu Beginn von Sarah Polleys Film demonstrieren die Leichtigkeit der Regisseurin auch im Umgang mit ihrem Allerprivatesten. Denn Polley widmet sich zwei Jahre nach ihrem letzten Spielfilm „Take That Waltz“ mit einer Dokumentation ihrer eigenen Lebensgeschichte. Ihre Protagonisten sind Halbbrüder und -schwestern, der Vater und Freunde. Nur die an Krebs verstorbene Mutter Diana fehlt. Sie ist sie das Zentrum des Films.

Die lebenslustige junge Frau – selbst Schauspielerin – hatte einige Zeit ein Doppelleben geführt, mit einem anderen Mann in einer anderen Stadt. Das Wissen um die Herkunft ihrer jüngsten Tochter Sarah nahm sie mit ins Grab. Erst nach dem Tod der Mutter erhält die Regisseurin Hinweise auf eine mögliche außereheliche Herkunft. Sie nimmt dies zum Anlass für eine Spurensuche nach dem echten Vater: eine Recherche mit glücklichen Überraschungen und traurigen Erkenntnissen über eine Frau, deren Selbstverwirklichung die damals geltende patriarchale Moral verhinderte.

„Stories We Tell“ entwirft ein vielschichtiges Sittenbild der Verhältnisse im Kanada der fünfziger Jahre. Dabei weiß die Regisseurin, dass ihre anfängliche Forderung nach Vollständigkeit nicht erfüllt werden kann. Doch dieses Wissen ist ihr Antrieb für einen ungewöhnlich offenen Film mit polyphon aufgesplitterter Montage. Während Polley ihr dokumentarische Instrumentarium bei den Interviews sofort offenbart, zeigt sich erst nach einer Weile, dass große Teile der scheinbar als authentische Home-Movie-Schnipsel eingefügten Alltagsbilder mit Darstellern nachinszeniert wurden. Auch sonst ist Polleys Film nur fast perfekt – in doppelter Hinsicht. Als Tochter hätte man Sarah gewünscht, auf den DNS-Test zu verzichten, und als Filmemacherin, dass sie über das familiäre Setting hinaus mehr über die Zeitgeschichte mitteilt.

(OmU) Brotfabrik, fsk am Oranienplatz

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