zum Hauptinhalt

Kultur: Satzteilverschlepper - Der Kabarettist stellt seine "Kleine Geschichte der Sexualität" vor

Ein Herr mit Fliege tritt ans Pult, stellt sich als Doktor Sprüngli vor. So weit, so erwartungsgemäß.

Ein Herr mit Fliege tritt ans Pult, stellt sich als Doktor Sprüngli vor. So weit, so erwartungsgemäß. Das Flipchart mit aufgeschlagenem Fick-Piktogramm verweist aufs avisierte Referat des Schweizer Sexualwissenschaftlers. Doch - nanu! - im zweiten Satz bereits wird der fiktive Forscher zum realen Kabarettisten. Seine "Kleine Geschichte der Sexualität" sei noch so frisch, dass er ohne Manuskript nicht auskomme. Und das sei verschollen. Ersatzweise wird ein Konglomerat aus früheren Programmen in Aussicht und die Rückforderung des Eintrittsgeldes anheim gestellt. Nicht zuletzt, weil dies ohne sichtliche Erregung geschieht, glauben die meisten Premierenbesucher an einen Gag. Sie wissen nicht, dass "ohne Erregung" als Vortragszeichen über allen Programmen von Christian Überschall steht. Also plaudert der deplatzierte Sex-Doc hauptsächlich über eine Fahrradtour durch Irland. Dies Überschallsprüngli zurück in sein eigentlich abgespieltes Kabarettsolo entblößt ungewollt Mentalitäten: Die einen, deutlich hiesigen Zuschauer können es lang nicht fassen, raunen sich Befremden zu. Etliche versprengte Eidgenossen aber pfeifen drauf und amüsieren sich drüber. Wie zu erfahren war, nötigt ihnen das Missgeschick ihres Landsmannes nur Achselzucken ab: Hauptsache, luschtig.

Und das ist der Ex-Steuerberater aus dem Berner Oberland in jedem Fall. Sein kabarettistisches Kapital: emotionale Sparsamkeit, gepaart mit mimischem Geiz. Der Satzteilverschlepper und taktische Pausenbaumeister drosselt des Großstadtneurotikers innere Hektik, ent-deckt ihm die Faszination der Langsamkeit. Zwingt Konzentration rein und Lachen raus - ein Lachen, oft der überraschten Art. Etwa über Witze mit Verzögerungsfaktor ("Warum ist nie besetzt, wenn man sich verwählt hat?") und vielfach interpretierbarem "Hähä" wenn das Räppli fiel.

Ein Lieblingsthema freilich, regionale und nationale Eigenheiten, wird der Mann mit dem Danny-Kaye-Profil nimmermehr wie gehabt in die Wirklichkeit transponieren können: das Manuskript ist wieder aufgetaucht - die Erörterung der These "Cunnilingus ist kein Honigschlecken" lockt erneut ans Fickchart.Ufa-Fabrik, 26. bis 30.4., 20.30 Uhr

Norbert Tefelski

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false