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Starr Duncan Lowe (li.) und Saundra Williams sind Saun & Starr.

© Kyle Dean Reinford

Saun & Starr live in Berlin: Seelenschwestern

Früher sangen sie für Sharon Jones jetzt stehen Saun & Starr selbst im Mittelpunkt. Das Konzert des Soul-Duos im Berliner Bi Nuu war herzerwärmend und mitreißend.

Saundra Williams will eine Geschichte erzählen. Sehr persönlich, aber nicht zu lang, verspricht sie. Das gut gefüllte Kreuzberger Bi Nuu wird umgehend still. Es war während der Aufnahmen zum Album „Look Closer“: Die Sängerin fuhr eines Morgens mit dem Auto von New Jersey nach New York ins Studio. Unterwegs kam sie durch die Bronx, wo sie aufgewachsen ist. Plötzlich musste sie an ihren Vater denken. Ihm zu Ehren legte sie sich Musik der Spinners auf, seiner Lieblingsband. Gut gelaunt kam sie im Studio an. Doch eine halbe Stunde später rief ihr Cousin an, um ihr zu sagen, dass ihr Vater gestorben war.

Das Lied, das an diesem Tag auf dem Plan stand, konnten sie und ihre Duopartnerin Starr Duncan Lowe so erst viele Tage später aufnehmen. Wundersamerweise passt es wie kein anderes auf dem Debütalbum zu dem traurigen Tag. „If Only“ ist eine Blues-Ballade, die erfüllt ist von der Sehnsucht, den einstigen Geliebten noch einmal zu küssen, ihn noch einmal in die Arme zu schließen. Das Tenorsaxofon gibt die Phrase vor, der Saundra Williams folgt, mit ihrem gedehnten Gesang, den man nun als Totenklage versteht. Mit geschlossenen Augen und ausgebreiteten Armen steht sie am Mikrofon, von sanften Besen-Beats und wenigen Gitarrenakkorden begleitet. Am Ende singt sie vaterseelenallein die Zeile „I love you, I miss you and I need you“.

Während dieser ergreifenden dreieinhalb Minuten steht Starr Duncan Lowe im Bühnenhintergrund, singt nur im Refrain ein wenig mit. Jetzt kommt sie wieder nach vorn und übernimmt den Leadgesang in der folgenden Uptempo-Nummer. Das ist absolut mitreißend – wie das gesamte Konzert der Sängerinnen, die sich schon seit bald 30 Jahren kennen.

Zusammen mit Sharon Jones sangen sie in den Neunzigern in einer Hochzeitsband. Später, als Jones’ Karriere mit den Dap-Kings Fahrt aufnahm, wurden sie zu ihren Backgroundsängerinnen. Bei den Konzerten der alten Freundin bekamen sie einen kleinen eigenen Showteil, der deutlich vor Augen und Ohren führte: Die beiden könnten es auch allein. Dem musikergeführten Label Daptone Records, das neben Jones unter anderem den Soul-Sänger Charles Bradley unter Vertrag hat, war das natürlich ebenfalls klar. Und so produzierten die durch ihre Mitarbeit am zweiten Amy-Winehouse-Album bekannt gewordenen Dap-Kings elf wunderbare Soul-Songs mit Saun & Starr, die sie live mit ansteckender Freude und leuchtender Grandezza präsentieren.

Man merkt ihnen ihre große Bühnenerfahrung an, sie wissen genau, wann sie mal ein bisschen losröhren müssen, wann es schick ist, sich synchron zu bewegen, und wie man ein Lied über Liebesverrat in ein kleines Theaterstück verwandelt. Ihre Stimmen schmiegen sich in den gemeinsam gesungenen Teilen perfekt aneinander. Wenn sie wechselnd die Führung übernehmen, ist Starr für die spitzen Töne, Saun für die erdigere Färbung zuständig. Da ist kein Auf- und Übertrumpfen im Spiel, nur reine herzerwärmende Seelen- und Sangesverwandtschaft.

Für zwei Lieder schicken sie die Band raus und singen Gospel

Begleitet von einer fünfköpfigen Band um den Dap-King-Gitarristen Joseph Crispiano spielen sie schon früh das hitverdächtige „Hot Shot“, das direkt aus der goldenen Zeit des Stax-Labels herübergeweht zu sein scheint. Etwas später schicken sie die Musiker raus und singen zwei Gospelstücke, nur vom klatschenden Publikum begleitet. Damit erinnern Saun & Starr an ihre Jugend in der Bronx. Beide sangen mehrmals wöchentlich in Chören, weil ihre Mütter nicht wollten, dass sie auf der Straße rumhängen. Saundra Williams, die ein schwarzes Oberteil mit großem goldenen Glitzerkreuz trägt, sagt dazu noch mal: „Thanks, mama!“ – da kann man sich nur anschließen nach 80 mitreißenden Minuten und dem tollen „Look Closer (Can’t You See The Signs?)“ zum umjubelten Finale.

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