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Kultur: Sauna mit Karajan

MUSIK (1)

Wie um alles in der Welt werden die Philharmoniker ihre Finger auftauen, um eine Rossini-Ouvertüre spielen zu können, rieselt es einem beim Gang übers eisige Kulturforum durch den Kopf. Die Haustechnik der Berliner Philharmonie kennt da ihre eigene Methode. Mit erstarrten Gliedern stakst man geradewegs in den auf Bio-Sauna-Niveau vorgeheizten Saal, taumelt auf seinen Platz – und versinkt in dunstiger Müdigkeit. Die Farben des Konzertsaals bleichen dahin, das Licht will schwinden, die Augenlider schlagen träge wie ein übergewichtiger Schmetterling. Und als sie dann erklingt, die Ouvertüre zur Oper „La gazza ladra“, scheint auch das Zeitkontinuum ins Schwitzen gekommen zu sein. Dieser Großkulturklang selbst in zartesten Seitenthemen. Das kann nur Karajan sein! Durch die Nebel der Vergangenheit tastet man zum Programmheft, das Mariss Jansons als winterlichen Wiedergänger ausweist. Auch seine Interpretation von Haydns „Militär-Symphonie“ fällt als großflächig-repräsentatives Gemälde in Öl weit hinter den angespitzten Witz von Simon Rattles Genrestichen zurück. Erst Midori , deren Sonatenabende einst Schönheit und Langeweile unauflöslich miteinander verflochten, beendetet den schummrigen Spuk. Kraftvoll um ihre Geige gespannt wie ein menschlicher Bogen hält sie Mendelssohn-Bartholdys Violinkonzert dicht am Körper: in einer zarten, fordernden Umarmung, die weiß, wie sich der Winter der Liebe anfühlt. Midoris klarsichtige Leidenschaft inspirierte die Philharmoniker im gemächlich die Flügel spreizenden „Feuervogel“ zu solistischen Glanzleistungen (Fagott, Horn!) – bevor Jansons ein altmeisterliches Finale zelebrierte.

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