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Kultur: Schad is scho

Der Abschied der Biermösl Blosn mit Gerhard Polt im Berliner Ensemble

Da samma, Gaudi hamma, Schluss is. Sie lasen eine Kurzkritik zum Abschiedsgastspiel der Biermösl Blosn, die mit ihrem Spezl Gerhard Polt noch bis Donnerstag im Berliner Ensemble aufspielen. Leider zum letzten Mal und leider ausverkauft. Die Gelegenheit, einen Trachtenjanker zu tragen oder eine blau-weiße Fahne als Schal, wollte sich die Fangemeinde nicht entgehen lassen. Neben Bayern in der Diaspora bestand sie durchweg aus Menschen, die den ersten Bandscheibenvorfall hinter sich haben. Dafür ging es ab dem ersten Tubaton aufgekratzt lustig im Publikum zu.

Die Nachricht, dass die von Hans, Christoph und Michael Well vor 35 Jahren gegründete und nach einem Moor benannte Biermösl Blosn keine „Blase“, also Gruppe, mehr sein will, lief schon im August vom schönen Bayernland bis hinauf nach Preußen, verbunden mit dem weniger schönen Wort vom Bruderzwist. Dabei ist den satirischen Volksmusikanten nur das passiert, woran das gesamte politische Kabarett krankt: In diesen unübersichtlichen, opportunistischen Zeiten gehen die anständigen Gegner, die klaren Feindbilder aus. Selbst der natürliche Erbfeind der Blosn – die CSU – ist zu einem Haufen von Atomausstieglern verkommen. Wehe, wehe, wenn das der Franz Josef sähe! Das war einer, den der subversive Arm der 17-köpfigen Volksmusikantenfamilie Well aus Günzlhofen – die bayerische Antwort auf die österreichische Trapp-Familie – noch richtig hassen konnte. Ihre Stubnmusi mit giftigen Attacken auf bayerischen Filz und hinterwäldlerischen Mief brachte ihnen bundesweiten Ruhm, Auftritte mit den Toten Hosen und manchen Bann des Bayerischen Rundfunks ein. Und auch ihre Verdienste um die 1976 bei Gründung der Biermösl Blosn noch völlig im Folkoresumpf vor sich hin gammelnde Volksmusik sind Legende. Dass die sogenannte neue Volksmusik überhaupt entstanden ist, hat viel mit dem Wirken der Burschen aus Günzlhofen zu tun.

Dass Trompeter Christoph Well, genannt Stopherl, Tubist Michael Well, genannt Micherl, und Texter und Senior Hans Well, genannt Hansi, virtuose Multiinstrumentalisten sind, ist bekannt. Harfe, Tuba, Bariton, Sackpfeife, diverse Flöten, Gitarre, Akkordeone, Drehorgeln verstellen die Bühne. Und der traditionelle mehrstimmige Männergesang geht ihnen samt Jodlern und Juchzern flüssig von den Lippen. Nur die Textsicherheit hakt. Zumindest beim Eingangslied, einem noch schnell auf Berliner Tagesaktualitäten getrimmten Gstanzlgesang. Für die eingängige Nummer hat Hans Well ein paar Reime aus den Themenkomplexen S-Bahnchaos, Autobrände, Grünen-Krieg, Asphalt-Koalition und dem neu eröffneten Hofbräuhaus zusammengerührt.

Neben den lustigen Musikanten sitzt – wie so oft seit 1979 – stumm und mürrisch Gerhard Polt. Ein alter bayerischer Grantler im Trachtenjanker. Das Schöne am Spiel mit Klischees ist ja, dass man möglichst viele davon vorführen kann. Und besonders Bayern ist da beneidenswert ergiebig, wie die Blosn in jedem ihrer Selbstveräppelungslieder vorführen.

Kabarettist Polt liefert dazu die üblichen Notizen aus der Provinz. Das 125-jährige Bestehen der Feuerwehr Bad Hausen treibt eine seiner krachledernen Spießergestalten um, eine andere die Ausstattung seines Autos mit Englisch benamstem Zubehör. Höhepunkt seiner Kunst, Phrasen bis zur Kenntlichkeit durchzuwalken, ist aber die schaurig- schöne Nummer über das lokale Kulturförderkonzept „Kreissparkasse meets Art“, gefolgt von einer bejubelten Parodie des Singsangs von Joseph Ratzinger.

Der bayerische Abend ist puppenlustig anzuschauen, obwohl Polts afrikanische und spanische Kreischeinlagen so alt sind, wie das mit einer putzigen Wetterhäuschen-Choreografie versehene Bauernregeln-Lied der Blosn. Doch böse ist er nicht. Mit Schuhplatteln und Alphörnern geht es gegen Lobbyisten, Rassisten, Kapitalisten, Landräte, Ministerpräsidenten und das ganze Gschwerl. Doch die Wut und die Gewissheiten, die sind geschmolzen wie der Schnee im Föhn.

Hansi will zukünftig solo und mit Dieter Hildebrandt arbeiten, Stopherl und Micherl planen gemeinsame Produktionen. Das letzte gemeinsame Konzert der Biermösl Blosn mit Gerhard Polt ist im Januar in Fürth. Pfiat’s eich, Buam. Und schad is scho.

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