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Kultur: Schächten: Moslems schlachten im Umland - oder daheim im Bad

In jeder türkischen Metzgerei hängen sie, die Hinweise darauf, dass hier nur Fleisch verkauft wird, das "Helal" ist, also nach muslimischen Reinheitsgeboten geschlachtet wurde. Das muslimische Schächten ist in etwa dem jüdischen vergleichbar.

In jeder türkischen Metzgerei hängen sie, die Hinweise darauf, dass hier nur Fleisch verkauft wird, das "Helal" ist, also nach muslimischen Reinheitsgeboten geschlachtet wurde. Das muslimische Schächten ist in etwa dem jüdischen vergleichbar. Dort durchtrennt der "Schochet", der extra dafür ausgebildet wurde, dem Tier die Halsschlagadern und die Luftröhre bis zur Wirbelsäule mit einem rasiermesserscharfen Messer. Durch die fehlende Blutzufuhr zum Gehirn wird das Tier innerhalb von Sekunden bewusstlos und verblutet.

Anders als in der jüdischen Gemeinde, werden Muslime nicht extra für das Schächten ausgebildet. Laut Rifat Kasancioglu, der seinen Fleischzerlegebetrieb "Hadschilat Helal" am Großmarkt in Moabit führt, sei es ausreichend, ein "gläubiger Muslim" zu sein, die nötigen Handgriffe lerne man dann einfach. Da in Berlin selber nicht mehr jüdisch oder muslimisch geschlachtet wird, schickt Kasancioglu einen seiner Mitarbeiter hin und wieder in die Großschlachterei ins brandenburgische Ludwigslust. "Die haben dort ein ganz normales Schlachtprogramm", sagt er, "wir nehmen uns dann einfach ein Paar Tiere raus und schächten sie." Dies geschieht - wie von den Behörden vorgeschrieben - mit vorheriger Betäubung durch Elektroschock.

Die Betäubung ist ein unter muslimischen Gläubigen umstrittenes Verfahren. In früheren Gerichtsprozessen waren sich auch muslimische Gelehrte nicht einig, ob eine vorhergehende Betäubung nach muslimischem Recht erlaubt sei. So wird das Elektroschockverfahren weiter von streng gläubigen Muslimen kritisiert, die zumindest zum islamischen Opferfest "eid al-adha" gern ohne Betäubung schlachten würden.

Wer also Fleisch essen möchte, das nach strengsten muslimischen Vorschriften geschlachtet wurde, wird durch die bisherige Rechtsprechung in eine Grauzone gedrängt. "Es gibt viele Familien, die zu irgendeinem Schlachter gehen, und dort über die Tötungsart verhandeln", weiß Sabri Adak, Präsident der "Türkischen Gemeinde zu Berlin". Eine andere Lösung ist das Schlachten zu Hause: "Ich habe schon davon gehört, dass man auch Tiere im Bad geschlachtet hat", sagt Adak. Um solchen Szenen in Zukunft zu vermeiden, wäre es ihm am liebsten, das Bundesverwaltungsgericht würde das muslimische Schächten auch ohne Betäubung freigeben. "Wir müssen uns anpassen und uns zum Grundgesetz bekennen", sagt Adak, "es ist aber auch wichtig, Rechte zugestanden zu bekommen". Zumal dann, wenn solche Rechte auch anderen Religionsgemeinschaften zugestanden werden. So dürfen die jüdischen Gemeinden in Deutschland weiter nach den Kaschrut-Vorschriften schächten. Eine Ausnahmegenehmigung, die auch seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie in Frage gestellt wurde.

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