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Kultur: Schall und Raum

Die zeitgenössische Musik flieht ihre angestammten Orte.Dem für das höfische und bürgerliche Konzert geschaffenen Theater- und Konzertsaal kehrt sie den Rücken und sucht neue Formen der Aufführung, die einen flexibleren Umgang mit der Raumakustik ermöglichen und das starre Verhältnis von Musiker und Publikum aufheben.

Die zeitgenössische Musik flieht ihre angestammten Orte.Dem für das höfische und bürgerliche Konzert geschaffenen Theater- und Konzertsaal kehrt sie den Rücken und sucht neue Formen der Aufführung, die einen flexibleren Umgang mit der Raumakustik ermöglichen und das starre Verhältnis von Musiker und Publikum aufheben.So lädt die Künstlergruppe Kryptonale an zwei Wochenenden in die Wasserspeicher am Prenzlauer Berg, um in Installationen und "Raumklangkonzerten" neue Hörformen zu erproben.Den großen Wasserspeicher statteten Roswitha von der Driesch, Jens-Uwe Dyffort und Klaus Lebkücher für "Nähe und Abstand" mit einer Vielzahl von Mikrophonen aus, über die das akustische Geschehen mittels regelbarer Computerlautsprecher vom abgeschlossenen Außenring aus belauscht werden kann.Die hohen Zweiklänge des Innenraums verlieren hier ihre den leichten Schwebungen geschuldete Lebendigkeit und gerinnen zusammen mit den Schritten der Besucher zu blassen Signalen.

Die Konzerte im Kleinen Wasserspeicher kommen ohne Bühne aus, das Publikum nimmt frei zwischen den im Doppelrund aufgestellten Lautsprechern des Elektronischen Studios der TU Platz.Die elektroakustischen Bittgesänge Leo Kuppers, "Litanea" (1988), eröffneten das dem Thema "Stimme" gewidmete Programm mit einem fast zwanzigminütigen Fluß zu sanglichen Schleifen verdichteter Sprach-Samples.Die banalen Dreiklang-Klischees, von geräuschhaften Rotationsklängen absichtsvoll und von drop outs unfreiwillig gegliedert, haben mit avancierter Elektronischer Musik so wenig zu tun wie Sabine Schäfers "Was erzählte ich aber über Sprach(t)räume?", das allerdings als radiophones Hörstück mit techisch perfekter dreidimensionaler Raumverteilung des märchenhaften Assoziationsstroms der Stimmen anderen Gesetzen gehorcht.

Dabei hatte André Werner in seiner Emily-Dickinson-Vertonung "Dying Tiger" (1996) vorgeführt, wie mit konzentrierten Tonband-Interludien zu weiten, melismatischen Sopransprüngen Spannung aufgebaut werden kann.Der psychoakustisch sensibilisierte Komponist betreibt mit realen oder mittels Dopplereffekt vorgetäuschten Klangbewegungen ein räumliches Verwirrspiel, das mit einfachen Mitteln größere Wirkung zu erzeugen vermag als Lucia Ronchettis hier uraufgeführte "Legende" für Sopran und Live-Elektronik, die die souveräne Eiko Morikawa leider an die Grenzen ihrer stimmlichen Möglichkeiten brachte.

Stockhausens "Kurzwellen" (1968) gerieten schließlich unter den Händen des Kammerensembles Neue Musik und der Klangregie von Johannes Fritsch und André Bartetzki zum musikalischen Höhepunkt.Das unirhythmische Zusammenspiel der wechselnden Konstellationen des Instrumental-Quintetts griff musikalische Strukturen der Kurzwellenempfänger auf und formte sie in stimmige Verläufe um, denen die räumliche Klangprojektion zusätzliche Plastizität verlieh.Ein aufregender Beginn der Konzertreihe des Ensembles, die dieses Stück in verschiedenen Kombinationen an unterschiedlichen Orten in Berlin wieder zur Aufführung bringen wird.

Installation im Wasserspeicher Belforter Straße, bis 18.9.: 16 - 23 Uhr, 19./20.9.: 14 - 23 Uhr; Konzerte im Wasserspeicher Kolmarer Str.: 18./19./20.9., jew.21 Uhr.

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