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Kultur: Schamane zum Schnäppchenpreis Der digital erweiterte Kunstbegriff:

das Projekt „Beuys goes eBay“ in der Galerie Kryptische Konzepte

Als die sterblichen Überreste von Joseph Beuys vor achtzehn Jahren in der Nordsee versenkt wurden, war er schon zum Mythos geworden. Etwas Staub angesetzt, polarisiert er bis heute und produziert immer noch zahlreiche Epigonen. Damals funktionierte die Welt noch ohne Internet. Was hätte der markanteste Verfechter einer Identität von Kunst und Leben und der massenhaften Reproduktion von Ideen aus den Möglichkeiten des WorldWideWeb gemacht?

Die Initiatoren des Ausstellungsprojektes „Beuys goes eBay“, die Berliner Galeristen Michaela Lechner und Carl Peter, spielen mit dieser Frage, indem sie den Online-Marktplatz eBay als virtuelles Auktionshaus für Beuys-Artikel aller Art nutzen. Für ein Ankaufsbudget von 2500 Euro ersteigerten sie im Zeitraum Mai bis September dieses Jahres 93 Objekte des Künstlers, die in der Galerie Kryptische Konzepte noch bis Ende Februar zu sehen sind. Heraus kam dabei eine kleine aber feine, jedoch unverkäufliche Sammlung des Beuysschen Universums, das augenzwinkernd am Mythos sägt und gleichzeitig pointierte Einblicke in das komplexe Werk des Erfinders des „Erweiterten Kunstbegriffs“ vermittelt.

Dabei erweist sich das Internet als kongeniales Medium, um Objekte und Raritäten vom und über den Künstler aufzuspüren. Nach Themenkreisen geordnet wird das erworbene Sammelsurium in musealer, aber lustvoller Art und Weise präsentiert. Zentrale Begriffe und Werkgruppen wie Direkte Demokratie, Energiekonzepte oder Beuys und die Grünen ermöglichen dem Besucher, „ihren“ Beuys aufzufrischen und locken ein junges Publikum auf die Spuren des Mannes mit dem Hut. Hinzu kommen allerlei Devotionalien der Beuysianer wie die Filz-und Holzpostkarte neben Skurrilem wie ein Hasenbrieföffner, eine Comicbiographie des „lächelnden Schamanen“ oder ein Briefkuvertfragment mit handgeschriebenen Absender, vom Anbieter liebevoll als Collage gestaltet.

Der Massencharakter der Beuysschen Multiples – Objekte, Drucke, Plakate oder Postkarten – erfährt im Internet ungeahnte Verbreitungskanäle. Limitiert und unlimitiert fungierten sie für Beuys als Mitteilungsinstrumente, mehr noch als „Antennen“, durch die man mit den Menschen in Verbindung bleibt. Als Handelsware online vertrieben, finden sie zum Teil zu Schnäppchenpreisen Käufer in der eBay-Gemeinde. Unter dem Stichwort „Beuys“ warten an 3 bis 10 Tagen zwischen 60 bis 120 Artikel auf Interessenten. Das günstigste, der nach oben offenen Skala, ist eine unsignierte Postkarte um einen Euro, das Spitzenlos der Ausstellung das frühe Multiple „Intuition“, eine unscheinbare, signierte Holzkiste, die 1968 bei einer Auflage von 5000 Stück zum Preis von acht Mark verkauft wurde. Die stolzen Besitzer ergatterten das siebte, noch „genagelte“ Exemplar um 451 Euro. Der Ersteigerungsweg bis zum endgültigen Verkaufspreis wird lückenlos offengelegt. Im dichten Dschungel von Original und Fälschung bewegen sich die beiden Sammler inzwischen sehr routiniert. Sie wollen das kontinuierlich weiter laufende „Beuys goes eBay“ auch an anderen Orten zeigen. Damit die Beuysschen Antennen weiter senden.

Petra Schröck

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