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Kultur: Schaulager der Gegenwart

Felix Helvetia: Schweizer Museumsprojekte für zeitgenössische Kunst

Dass die steile Brücke über den Rhein zum Kunstmuseum Basel „Wettsteinbrücke“ heißt, ist Zufall. Es gab sie lange bevor man den modernistischen Bau von Paul Bonatz, dem Architekten des Stuttgarter Hauptbahnhofs und Ribbentrops Berliner Villa, 1936 in die Altstadt stellte. Und dennoch schlägt die Brücke mit ihrem Namensgeber einen weiten Bogen in die Vergangenheit. Basel verdankt Johann Rudolf Wettstein, der 1645 bis 1666 Bürgermeister war, das erste Kunstmuseum und damit das erste in kommunaler Hand überhaupt. Er verhinderte durch Ankauf die Veräußerung des Amerbach’schen Kabinetts, seinerzeit eine der berühmtesten Sammlungen, darunter Holbeins „Christus im Grabe“.

In diesen Wintertagen strahlt die Sonne über das Rheinknie und Liz Taylors Konterfei von der Museumsfassade. Man bewirbt die Warhol-Ausstellung, für die – wie schon für van Gogh und Gabriel Orozco – das gesamte obere Stockwerk geräumt wurde. Für Museumsdirektor Bernhard Mendes Bürgi ist der temporäre Exodus seiner Sammlung kein Problem. Wechselausstellungen sollen helfen, in der Riege der weltweit wichtigsten Kunstmuseen zu bestehen. Um Publikumsrenner und eigenen Bestand gleichzeitig zu zeigen, muss ein Neubau her. Das Basler Büro Christ & Gantenbein hat einen monumentalen Kubus entworfen, der über den Altbau unterirdisch zugänglich sein wird.

Als Bürgi im Herbst das Globale seines Konzepts beschwor, warb er in erster Linie lokal, sprich: bei den Stadtvätern. Sie hatten im November über die Hälfte der hundert Millionen Franken für den Erweiterungsbau zu entscheiden. Die parlamentarische Hürde ist genommen, denn mit der Bewilligung verband sich die Schenkung von 50 Millionen Franken für die zweite Hälfte der Bausumme durch die Pharma-Erbin Maja Oeri. Die Mäzenin hat über Stiftungen bereits den Laurenzbau für die Museumsbibliothek und 2002 das Schaulager von Herzog & de Meuron ermöglicht. Sie stellt auch das Filetgrundstück am St.-Alban-Graben gegenüber dem Museum zur Verfügung. Der Realisierung des zweigliedrigen Baus mit rund 3000 Quadratmetern Ausstellungsfläche bis 2015 steht nun nichts mehr im Wege.

Damit könnte Basel zeitgleich mit Zürich eröffnen, das ebenfalls Museumspläne mit einem weitgehend unterirdisch erschlossenen Neubau von David Chipperfield hegt. Bis Ende dieses Monats können im Amtshaus noch Einwände erhoben werden. Ob die neuerlich um 70 Zentimeter korrigierte Gesamthöhe von 21 Metern Probleme bereitet? Der Altbau von Karl Moser platzt trotz Nachkriegserweiterungen aus allen Nähten. Direktor Christoph Becker betont eher die Funktion des erweiterten Museums als Plattform. Er träumt von „einer vernetzten Bespielung der eigenen Sammlung von Kunst ab 1960“. Ausstellungen hätten darin ebenso Raum wie die heimatlose Sammlung Bührle mit ihren hochkarätigen Impressionisten. Doch Zürcher Mühlen mahlen langsam.

Museumsprojekte, die der Gegenwartskunst gewidmet sind, haben in der Schweiz generell einen schweren Stand. Die jetzigen Aktivitäten täuschen darüber hinweg, dass die Alpenrepublik nur Versäumtes nachholt. Vergleichbare Neubauten aus den achtziger und neunziger Jahren wie in Hamburg, Bonn, Frankfurt, München fehlen hier bis auf wenige Ausnahmen, wie das 1980 errichtete Museum für Gegenwartskunst in Basel. Das war allerdings das erste seiner Art.

Zwar gelangen in den letzten Jahren beachtliche Neubauten wie 2002 das Aargauer Kunsthaus von Herzog & de Meuron oder 2003 das Jean Nouvels Kultur- und Kongresszentrum Luzern mit wenig glücklichen Raumlösungen für das Kunstmuseum. In Winterthur wurde im November die Sanierung des Kunstmuseums abgeschlossen. Doch in Lausanne ging 2008 ein hochfliegendes Museumsprojekt durch das Stimmvolk bachab, wie es in der Schweiz heißt. Nun soll ein ausrangiertes Eisenbahndepot für die zeitgenössische Kunst umgebaut werden.

Erst kürzlich scheiterten ambitionierte Erweiterungspläne des Kunstmuseums Bern, da sich die beteiligten Akteure – Mäzen, Verwaltung, Kunstmuseum und Architekten – nicht einigen konnten. Viel zitiertes Argument in der Bundeshauptstadt: Wozu ein öffentlich bezahlter Neubau, wo es doch schon das privat finanzierte Zentrum Paul Klee gibt. Dabei leidet auch das Kunstmuseum Bern unter Platznot, während Renzo Pianos Klee-Museum von 1997 monothematisch und kommerziell orientiert bespielt wird.

Auch in Basel gibt es vergleichbare Konkurrenz. In den neunziger Jahren eröffneten zwei private Stiftungsmuseen, die zunächst keine Unterstützung vom Kanton erhoffen konnten. 1996 eröffnete das Museum Tinguely von Mario Botta, im Jahr darauf die Fondation Beyeler von Renzo Piano. Direktor Sam Keller zeigt dort gerade das Wien um 1900 und darf sich mit Augenschmaus von Schiele bis Klimt des Publikums sicher sein.

Auch wenn Bernhard Mendes Bürgi darin eine bereichernde Herausforderung sieht, räumt er doch ein, dass die Kulturpolitik in der Vergangenheit zu stark auf private Einrichtungen gesetzt habe. Doch nun hat ein Umdenken eingesetzt: Die öffentlichen Museen besinnen sich auf ihre Stärken. Bedarf es da noch eines Johann Rudolf Wettstein wie vor 360 Jahren? Zumindest in Basel vorerst nicht.

Kunstmuseum Basel: „Warhol“, bis 23.1. Kunsthaus Zürich: „Picasso“, bis 30.1. – „Karl Moser. Architektur und Kunst“, bis 27. 2. . Unterlagen zur Erweiterung in Zürich: www.stzh.ch/hochbau, für Basel: unter www.kunstmuseumbasel.chbis

Max Glauner

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