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Kultur: Schauspieler blicken ins Publikum Fabian Hinrichs und Ulrich Matthes in der AdK

„Ist da jemand?“, will die Akademie der Künste am Sonntag wissen – und, ja, da sind jede Menge Menschen: Beim „Fünf- Uhr-Tee“ herrscht ein derartiger Andrang, dass es zu tumultösen Szenen am Einlass kommt.

„Ist da jemand?“, will die Akademie der Künste am Sonntag wissen – und, ja, da sind jede Menge Menschen: Beim „Fünf- Uhr-Tee“ herrscht ein derartiger Andrang, dass es zu tumultösen Szenen am Einlass kommt. Eine „Kritik des Zuschauers“ ist angekündigt, vorgetragen von den Schauspielern Ulrich Matthes und Fabian Hinrichs. Und so mancher im Clubraum hoch überm Pariser Platz hofft auf eine deftige Publikumsbeschimpfung.

Zunächst allerdings erzählt Matthes von seinen „extremen Antennen“ für die Energie, die ihm abends aus dem Dunkel des Zuschauerraums entgegenschlägt – und auf die er jeweils ganz individuell reagiert, indem er lauter spricht oder Pausen anders setzt, mit dem Ziel, eine „hochgradige Konzentration“ beim Publikum zu erreichen. Dass es da unter den Profis durchaus unterschiedliche Auffassungen gibt, dass viele Schauspieler dafür plädieren, die „vierte Wand“ einfach zu ignorieren, weiß auch Fabian Hinrichs. Er jedoch sucht gern den Kontakt, mag es sogar, wenn der Saal während der Vorstellung erleuchtet bleibt und er „zurückschauen“ kann. Von der Verachtung, mit der viele Schauspieler das Publikum betrachten, das ja sowieso zu blöd sei, um etwas zu verstehen, hält er nichts. Gerade gestern, erzählt er, habe er mitten in der Vorstellung seine Mitspieler hinter der Bühne ermahnt, doch nicht so leidenschaftslos und ungenau zu spielen. „Was hast du denn? Die Leute lachen doch!“, antwortete ihm eine Kollegin. Aber das, findet Hinrichs, kann es ja wohl nicht sein.

Wenn Matthes und Hinrichs in der ersten Stunde vor allem von ihrem Berufsstand und nur am Rande von den Zuschauern reden, liegt das an der Moderatorin. Petra Kohse von der Sektion Darstellende Kunst versucht nämlich, den Themenkomplex ganz systematisch-akademisch anzugehen – Stichwort: neue Teilhabe des Rezipienten am performativen Prozess –, anstatt sich sofort auf Ulrich Matthes’ steile These zu stürzen. Der Schauspieler selber nämlich hatte die Diskussion angeregt – weil er sich allzu oft ärgert, wenn er selber als Zuschauer im Theater sitzt. Über die Jubelperser rings um ihn, die sich selbst den größten Mist ergeben gefallen lassen, „ein Maul, das alles schluckt“ – und am Ende auch noch höflich applaudieren.

Vor 20 Jahren, findet Matthes, war das anders: Da gab es noch Türenknaller und Buhrufer, da wurde um Inszenierungen gekämpft. Diese Leidenschaft wünscht er sich wieder vom Publikum. „Dringlichkeit“ solle es von den Darstellern einfordern – und von den Regisseuren Respekt vor den Texten. Denn wenn es weiter so geht mit dem ewigen Ironisieren und Überblenden, dem Zynismus und routinierten Tabubrechen, „dann wandern die Leute ins Kino ab, wo ihnen noch Geschichten erzählt werden“.

Wie genau sich Matthes den Aufstand der Zuschauer vorstellt, erfährt man an diesem Nachmittag allerdings nicht. Weil Petra Kohse jetzt das Publikum auffordert, Fragen zu stellen. Diese Wortmeldungen allerdings fallen durchweg enttäuschend aus, einschließlich jener des AdK- Präsidenten Klaus Staeck: Weil sich hier in einer Fülle von Missverständnissen genau jene Unkonzentriertheit beim Zuhörer offenbart, an der Matthes und Hinrichs so leiden. Frederik Hanssen

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