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Mario Adorf (vorne) in dem Berlinkrimi „Am Tag als der Regen kam“ (1959).

© AdK

Schauspieler: Der distinguierte Zampano

„Böse kann ich auch“, behauptet er: Nun präsentiert der Schauspieler Mario Adorf in einer Ausstellung sein Lebenswerk - mit autobiografischen Zeugnissen, die er der Akademie der Künste als Vorlass geschenkt hat..

Er habe nicht damit gerechnet, sagte Mario Adorf bei der Eröffnung der Ausstellung „... böse kann ich auch“, dass alles „so gut, so vielseitig und auch entlarvend“ werden würde. Wie der vornehm frisierte und gekleidete Schauspieler nun durch die Zeugnisse seines Lebenswerks stolzierte, das er der Berliner Akademie der Künste als Vorlass schenkte, hat tatsächlich etwas Entlarvendes – allerdings auch im Hinblick auf das Fegefeuer der Eitelkeiten, in dem er sich wohlzufühlen scheint.

Es mag daran liegen, dass er sich seit Jahrzehnten auf die nicht gerade demütige Rolle des kultivierten Zampanos und Patriarchen festgelegt hat. Vor allem aber liegt es an der Art, wie die Ausstellung aufgebaut und die Exponate ausgewählt sind. Schulzeugnisse, Briefe, eigene Fotos, Drehbücher, Filmposter stehen hier mal chronologisch, mal thematisch sortiert nebeneinander, jedes Stück mit derselben Relevanz. Dieser Anspruch eines erschöpfenden Überblicks über ein eindrucksvolles Lebenswerk zieht einen impliziten Schlussstrich unter eine Karriere, die noch im Gange ist.

Vielleicht ist der Eindruck, einen Nachlass zu betrachten, unvermeidlich, da große Teile der Ausstellung wirklich ein Nachlass sind, nämlich von Adorfs Mutter Alicia. Sie hatte den Werdegang ihres Sohnes mit rührender Akribie verfolgt und ein umfangreiches Pressearchiv zusammengestellt. Es sind weniger die ausgestellten Artikel selbst als vielmehr die Sorgfalt, mit der sie gesammelt, aufgeklebt und farbig markiert sind, die etwas über Mario Adorf erzählen. Und eine Schlagzeile wie „Brigitte Bardot ging mit Mario Adorf in seine Wohnung … und dann erlosch im Haus das Licht“ hat eine andere Resonanz, wenn sie nicht als Wirtschaftswundertraum, sondern als Notiz einer sorgenden Mutter gelesen wird.

Überhaupt verrät die Berichterstattung über Adorfs steilen Aufstieg in den sechziger Jahren viel über seine Rolle in Deutschland. Meist geht es um die Orte, die er bereist, und die Stars, mit denen er zu tun hat: Elke Sommer, Senta Berger, Sophia Loren, Brigitte Bardot, Claudia Cardinale. Im Gegensatz zu Marlene Dietrich, Romy Schneider oder Klaus Kinski ist er kein Weltstar geworden, sondern immer einer von uns geblieben, unser Mann im Filmgeschäft, der interessant ist, weil er interessante Menschen kennt. Auch der enorme Schatz an Dias, die Adorf in Drehpausen geschossen hat, sind seiner Mutter zu verdanken. „Ich habe keinerlei Ehrgeiz als Fotograf“, erklärt er dazu. „Ich habe die Bilder nur gemacht, damit ich, wenn ich nach Hause kam, meiner Mutter vorführen konnte, was ich erlebt habe.“

Über 3000 Bilder umfasst das Archiv, knapp hundert davon sind nun zu sehen, die meisten entstanden in Mexiko am Rande der Dreharbeiten von Sam Peckinpahs Bürgerkriegswestern „Sierra Charriba“. Es ist sympathisch, wie Adorf unterschiedslos Mitglieder der Filmcrew und die mexikanische Dorfbevölkerung ins Bild bringt. Dass in der Ausstellung jedoch jedes Crewmitglieder namentlich genannt wird, während die Mexikaner anonym bleiben, vermittelt eine unangenehme Voreingenommenheit, die dem Geist von Adorfs Bildern entgegenläuft.

Kuratorisch fragwürdig ist auch die Art und Weise, wie Adorfs zentrales Werk, seine Filme, präsentiert werden. Eine Reihe von Ausschnitten, thematisch montiert und auf mehrere Leinwände verteilt, läuft lärmend in einem Raum nebeneinanderher – so ist schauspielerisches Vermögen nicht zu würdigen.

Für Fans aber ist ohnehin anderes interessanter. Etwa die gründlichen Notizen, die sich Adorf in seine Drehbücher macht, um den Text glaubwürdiger zu gestalten. Für seine Rolle als Heinrich Haffenloher in „Kir Royal“ ersetzt er handschriftlich jedes „Geld“ durch „Jeld“ und „Cash“ durch „Kesch“. In seinem Kalender vermerkt er nicht nur die Programmpunkte, sondern nachträglich auch ihren Ausgang, also nicht nur „Night of the Oscars“, sondern auch „Oscar für Blechtrommel“, nicht nur „9.30 TV Fußball Wales – D’Land“, sondern auch „0:2 (Tore: Zimmermann, Förster)“. Diese Sorgfalt scheint er von seiner Mutter zu haben.

Welche Karriere ihm gelang, wird immer deutlich, wenn die Namen seiner Regisseure auftauchen: Fritz Kortner, Wolfgang Staudte, Robert Siodmak, dann die Protagonisten des Neuen Deutschen Films, Schlöndorff, Fleischmann, Fassbinder, internationale Meister wie Claude Chabrol, Michail Kalatosov, Billy Wilder. Nur mit Werner Herzog hat er es nicht ausgehalten. Nach wochenlangen Dreharbeiten stieg er aus „Fitzcarraldo“ aus und lästerte, Herzog könne nur „mit Zwergen, Freaks und Kinski“ arbeiten.

Die gescheiterten Projekte bilden sicherlich den spannendsten Teil der Ausstellung. „Fitzcarraldo“, Wilders „Eins, Zwei, Drei“ oder die Rühmann-Komödie „Ein Mann geht durch die Wand“ wären mit Adorf andere Filme geworden. Schwerer noch wiegen die Projekte, zu denen er nie fand, darunter eine Adaption von Kafkas Romanfragment „Amerika“ unter der Regie von Huillet/Straub. Für einen Stoff namens „Der Mensch und das Tier“ setzt sich Adorf leidenschaftlich ein und bietet sich erst als Schauspieler, dann als Autor und schließlich als Regisseur an, bei völligem Verzicht auf Gage: „Ich glaube, das ist ein Angebot.“ Ein Künstler, der für seine Vision kämpft, der Experimente wagt und Opfer zu bringen bereit ist – ein ungewohntes Bild von Mario Adorf, das sich hier vermittelt.

Akademie der Künste am Pariser Platz, bis 15. April. Di–So, 11–20 Uhr

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