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Kultur: Schenken und beschenkt werden

Der beschwerliche Weg zum Wiedergewinn der Weltgeltung der Berliner Staatlichen Museen hat ins Bewußtsein gehoben, wieviel diese Schatzhäuser dem Engagement von Bürgern verdanken.Daran mangelt es heute, zumindest in einem der wilhelminischen Glanzzeit vergleichbaren Umfang.

Der beschwerliche Weg zum Wiedergewinn der Weltgeltung der Berliner Staatlichen Museen hat ins Bewußtsein gehoben, wieviel diese Schatzhäuser dem Engagement von Bürgern verdanken.Daran mangelt es heute, zumindest in einem der wilhelminischen Glanzzeit vergleichbaren Umfang.Heutige Spender haben ihren eigenen Nutzen meist ebenso sehr im Sinn wie den der Allgemeinheit.

Ob das im Zenit des "bürgerlichen Zeitalters" tatsächlich anders war und wenn ja, aus welchen Gründen - das sind zwei der vielen Fragen, die zu beantworten sich das Forschungsprojekt "Bürgerlichkeit, Wertewandel, Mäzenatentum" zur Aufgabe gestellt hat.Seit gut einem Jahr geht die Arbeit vonstatten, die im Januar mit einem Symposium zum Mäzenatentum im 19.Jahrhundert erstmals sichtbar geworden ist.Als beeindruckendes Zwischenergebnis liegen mittlerweile drei Bände einer Schriftenreihe vor, die die Arbeitsergebnisse kontinuierlich publizieren will.

Fällt heutzutage in Berlin das Wort "Mäzenatentum", muß der Name Günter Brauns im selben Atemzug genannt werden.Seit mittlerweile fünf Jahren unternehmen es Günter und seine Frau Waldtraut Braun, die Öffentlichkeit, vor allem aber die Berliner Gesellschaft auf Geschichte und Notwendigkeit mäzenatischen Engagements aufmerksam zu machen.Das gelingt überzeugend, weil der Anregung das eigene Vorbild vorangeht.Ursprünglich hatten die Brauns eine Vortragsreihe in der Villa von der Heydt, dem als Amtssitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz prädestinierten Ort, ins Leben gerufen und diese dann aufgrund der außerordentlichen Resonanz - nicht zuletzt der Publikation der gehaltvollen Vorträge - fortgeführt.Jetzt findet ihr Engagement mit der finanziellen Unterstützung des breitangelegten Forschungsvorhabens eine auf lange Dauer bemessene Form.Günter Braun konnte mit Befriedigung feststellen, "daß in Berlin nach Jahren der Abstinenz wieder eine Diskussion über die Wünschbarkeit, ja die Notwendigkeit mäzenatischen Handelns in Gang kommt."

Das ist durchaus gesellschaftspädagogisch gemeint.Denn es geht dem ehemaligen, langjährigen Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Berlin um Engagement nicht allein wegen der materiellen Zuwendung, sondern "als Ausdruck bürgerlicher Gesinnung und bürgerlichen Sich-Mitverantwortlich-Fühlens für das Gemeinwohl, kurz als Ausdruck der Bewährung des einzelnen Bürgers." Den Vortragsreihen folgte bald eine Stiftungsprofessur für die Freie Universität.So ist es nur folgerichtig, daß der Fachbereich Geschichtswissenschaften der FU Berlin am morgigen Dienstag Günter Braun die Würde eines Ehrendoktors verleiht.

Der in Berlin und Paris lehrende Kunsthistoriker Thomas W.Gaehtgens sowie die beiden Historiker Jürgen Kocka, Professor für Geschichte der industriellen Welt an der Freien Universität, und Reinhard Rürup, Neuhistoriker an der Technischen Universität, leiten das Mäzenatentum-Projekt, das sich mit der Teilnahme von Nachwuchswissenschaftlern "als eine höchst anregende Institution im Sinne von Oberseminaren, wie sie in früheren, besseren akademischen Zeiten üblich waren", entwickelt hat, wie Gaehtgens gelegentlich des ersten (halb-)öffentlichen Vortragsabends zu Beginn diesen Jahres bemerkte.Ob die Wiederbelebung akademischer Traditionen angesichts des unumkehrbaren Wandels der Universitäten ein sinnvolles, ja überhaupt wünschenswertes Ziel sein kann, bleibe dahingestellt.Beim Nachdenken über Mäzenatentum geht es schließlich auch darum, die Heutigen anzusprechen und zeitgemäße Formen solchen Bürgerengagements aufzuzeigen.

Das schöne Oberseminar jedenfalls hat besagte drei Veröffentlichungen hervorgebracht.An ihnen bereits ist die Spannweite der Erkenntnisziele abzulesen."Mäzenatisches Handeln.Studien zur Kultur des Bürgersinns in der Gesellschaft" ist der erste Band überschrieben, der das gesellschaftspolitische Ziel, für Mäzenatentum zu werben, gewissermaßen hintertreibt - belegt doch bereits der einleitende Beitrag von Manuel Frey, wie stark sich der Begriff des Mäzens seit dem 19.Jahrhundert gewandelt hat und von neueren Begriffen wie dem des Sponsors überlagert wird.Jürgen Kocka problematisiert als Sozialgeschichtler sodann den Begriffskomplex "Bürgertum", der sich schon für das späte 19.Jahrhundert nicht trennscharf fassen läßt; um so weniger, wenn er im Verweis auf "bürgerliche Kultur" quasi zirkulär erläutert wird.Die Infragestellung der positiven Zusammenschau von Bürger- und Mäzenatentum setzt sich im zweiten Band, "Bürgerkultur und Mäzenatentum im 19.Jahrhundert", fort, der die scheinbare Uneigennützigkeit von Stiftern der wilhelminischen Epoche zurechtrückt.Statuserwerb, Nähe zur politischen Macht, soziale Kontrolle - das sind Leitbegriffe, unter die sich die vielschichtigen Motivbündel mäzenatischen Handelns ordnen lassen.Schon Wilhelm von Bode, der legendäre "Condottiere" der Berliner Museen, sprach achselzuckend vom "Titel- und Ordensschacher".Er wußte, was die edelmütigen Stifter als Gegenleistung erwarteten - und in der hierarchisch geordneten Gesellschaft seiner Zeit auch feinabgestuft erhielten.Die Nachgeborenen erfreuen sich fraglos an Schätzen, die zur Erlangung längst verwehter Satussymbole in die Museen gekommen sind.

Was die heutigen Mäzene erwarten, ist weniger deutlich zu fassen.Eine anschauliche Fallstudie bietet der dritte Band mit dem hintersinnigen Titel "In guter Gesellschaft" über den Verein der Freunde der Nationalgalerie von 1929 bis heute.Andrea Meyer bleibt allerdings in ihrer Studie, je näher sie an die Gegenwart heranrückt, im Rahmen der Selbstaussagen der Beteiligten.Die Konflikte um Einfluß und Gestaltungsmacht, in die der Freundes-Verein beständig verwickelt ist, finden allenfalls den Hauch einer Erwähnung.

Von denkbaren Konflikten, ja selbst einer wissenschaftlich fundierten Erosion seiner eigenen Voraussetzungen darf sich das Forschungsprojekt nicht irre machen lassen.Der Blick auf das vermeintlich goldene Zeitalter bürgerlichen Mäzenatentums mag für die Mäzene von heute der Anstoß zur Nachfolge gewesen sein.Die Bedingungen von einst aber sind unwiederholbar.Die heutige Gesellschaft mit ihrer Auflösung des Bürgertums in die "nivellierte Mittelstandsgesellschaft", als die die Soziologie schon in den fünfziger Jahren die Bundesrepublik beschrieb, bringt eigene Möglichkeiten und Antriebe des Handelns hervor.

Je offener das Forschungsprojekt für die politisch-gesellschaftlichen Wechselbeziehungen ist, je weniger es sich auf das historische Terrain zurückzieht, desto folgenreichere Einsichten sind von ihm zu erwarten.Die angekündigte Veröffentlichung zum "Kunst-Mäzenatentum in der Bundesrepublik 1949 - 1969" weist in diese Richtung.Womöglich stellt sich heraus, daß der Wunsch nach verstärktem Privatengagement mit den übergreifenden Zielen einer gesamtgesellschaftlich orientierten Kulturpolitik nicht immer und nicht ganz so reibungslos zusammengeht, wie es in den interessegeleiteten Vorträgen der ursprünglichen Braunschen Reihe geklungen hat.

Wie auch immer - der Erkenntnisgewinn des Forschungsprojektes ist gewiß und rechtfertigt dieses mäzenatische Engagement auf das Überzeugendste.

Thomas W.Gaehtgens / Martin Schieder (Hrsg.): Mäzenatisches Handeln.Studien zur Kultur des Bürgertums in der Gesellschaft.256 S., 31 Abb., geb.68 DM

Jürgen Kocka / Manuel Frey (Hrsg.): Bürgerkultur und Mäzenatentum im 19.Jahrhundert.264 S., 9 Abb., geb.68 DM

Andrea Meyer: In guter Gesellschaft.Der Verein der Freunde der Nationalgalerie von 1929 bis heute.272 S., 28 Abb., geb.48 DM.

Alle Bände bei Fannei & Walz, Berlin 1998.

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