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Kultur: Schindhelm, ab zum Gebet!

Eine

von Marius Meller

Die EUVerfassung eine tote Leich’. Rot-Grün, die ’68er am Ende. Eine neue Kanzlerschaft – jung, weiblich, östlich, schwarz? Der Schriftsteller Michael Schindhelm – zu DDR-Zeiten teilte er in einem wissenschaftlichen Institut ein Zimmer mit Angela Merkel, heute ist er Direktor der Berliner Opernstiftung – hat einen Vorschlag gemacht. Er empfiehlt: Mehr Nationalismus wagen!

Schindhelm, geboren 1960 in Eisenach, der laut Literaturlexikon nachweisen konnte, dass „seine Opferakte um ein Vielfaches dicker ist als seine IM-Akte“, schreibt frisch, fromm und frei in der „Welt“ von gestern: „Der Weg, den Deutschland jetzt vor sich hat, ist ein Weg nach innen. Der Umbau der Gesellschaft darf sich nicht in wirtschaftlichem Reformmanagement erschöpfen. Die Wiedergeburt einer nationalen Identität, die die Geschichte nicht zu relativieren versucht, ist eine kulturelle Aufgabe. Die Emanzipation muss also weitergehen. Aber nicht mit dem Ziel eurogläubiger Selbstverleugnung, sondern in Anerkennung unserer Nationalkultur. Ihres Schreckens, ihrer Schönheit.“

„Deutsche Nationalkultur“ – das scheint für Ex-IM „Weih“ etwas zu sein, bei dem das Schreckliche und das Schöne durch ein elegantes Komma getrennt sind. Aber das Schrecklich-Schöne durchdringt sich irgendwie, begegnet sich, kontrastiert wirkungsvoll, verläuft wie Yin und Yang, kurz: bildet ein erhabenes Ganzes. Das soll Deutschland nun erspüren. Nach innen geht ab jetzt sein geheimnisvoller Weg, auf dass es sich neu erzeuge und sich wiedergebäre zu Schindhelms New German Way of life, zur neuen „nationalen Identität“. Sicherheitshalber schreibt Schindhelm in seine naive Reizwortflut ein bescheidenes „ohne die Geschichte zu relativieren“ dazu. Dann kann man es ganz wiedergeboren genießen, das große Geschichtsgefühl, die Michael’s Horror Picture Show: Hitler und Schiller, Buchenwald und Weimar. Bitte anschnallen, alles Große steht im Sturm!

In F. W. Bernsteins Gedicht „Identitätskrise“ heißt es in Anspielung auf Max Frischs Selbstfindungs-Romanze „Mein Name sei Gantenbein“: „Bin Heil’ger ich oder Hur’? / Bin ich ein Gi-Ga-Gantenbein / oder ein Wuschel nur?“ – Ein Wuschel macht noch keinen Puschel. Aber ein Wuschel kommt leider selten allein.

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