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Kultur: Schlachtzeit

Daß alle Übel der Welt vielleicht dann ihren Schrecken verlieren, wenn man sie durch artiges Einverständnis ein bißchen verkleinert, verharmlost, verschönt, ist eine weit verbreitete, eine sehr menschliche Hoffnung.Raymond Cousse (1942-1991), französischer Erzähler, Dramatiker und Theatermacher, übergibt diese Hoffnung einem Schwein, einem gewöhnlichen, wenn auch nicht ungebildeten Mastschwein.

Daß alle Übel der Welt vielleicht dann ihren Schrecken verlieren, wenn man sie durch artiges Einverständnis ein bißchen verkleinert, verharmlost, verschönt, ist eine weit verbreitete, eine sehr menschliche Hoffnung.Raymond Cousse (1942-1991), französischer Erzähler, Dramatiker und Theatermacher, übergibt diese Hoffnung einem Schwein, einem gewöhnlichen, wenn auch nicht ungebildeten Mastschwein.Nur auf Nützlichkeit kommt es an, also auf die Qualität des Schinkens.Das ist die Strategie des Borstenviehs, und also betrachtet es den orgiastisch vorweggenommenen Vorgang des Schlachtens als Krönung seines Lebens.Der Einzug in die Tötungsfabrik hat gefaßt und selbstbewußt zu erfolgen.Denn nur dann können alle Stationen der Verwurstung, also der Verarbeitung und Vermarktung jeglichen individuellen Daseins, einverständig, mit dem geplanten Nutzen, aber zugleich auch mit Stolz und Würde durchwandert werden.

Das erfolgreiche Stück in sechs Bildern, 1979 uraufgeführt, hat Bernd Rumpf mit seiner Gruppe "Klappsitz" jetzt im Theater Zerbrochene Fenster zur Aufführung gebracht, in einer dramaturgisch bearbeiteten, stark gekürzten Fassung.Die "Strategie eines Schweins" trägt Roswitha Dorst vor, auf nackter Bühne, die nur durch ein Spielzeugzäunchen eingegrenzt ist und über einen Wassereimer und eine Bierflasche verfügt.Die Schauspielerin nutzt den vielschichtigen, mitunter irritierend flirrenden Text zu einer leicht angestrengten, heiser getönten, hin und wieder durch Grunzlaute unterbrochenen "Verkündigung".Nicht die intellektuellen, taschenspielerhaften Tricks, mit denen sich das Schwein in seine Lage fügt, sondern deftig kreatürliche Vorgänge treten in den Mittelpunkt und vereinfachen die raffiniert gebauten Stationen der Geschichte.So vermögen auch barocke Musikeinlagerungen zwischen den Szenen die höhnisch augenzwinkernde, virtuos-dümmliche Rechtfertigung des Schinkenträgers nicht überzeugend genug auf die philosophisch "menschliche" Ebene zu heben.Roswitha Dost, in ein kräftig wattiertes Kostüm mit Schwänzchen eingebaut, streift den Schrecken nur, der in der absurden und eben doch ganz normalen Selbstbehauptung des zum Schlachten bestimmten Wesens steckt.

Nächste Vorstellungen 27.und 28.Februar, 1., 4.bis 8.und 11.bis 15.März, jeweils 20.30 Uhr.

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