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Kultur: Schlaflos in New York

Woody Allen soll einmal gesagt haben, daß New York der schönste Ort der Welt sein kann - ein Monatseinkommen ab 5000 Dollar aufwärts vorausgesetzt. Wer es dagegen wagt, im Herzen des Kapitalismus mit weniger daherzukommen, was dort bekanntlich nicht wenige riskieren, der wird früher oder später existenzielle Erfahrungen machen, für die man woanders lange und ausdauernd meditieren müßte.

Woody Allen soll einmal gesagt haben, daß New York der schönste Ort der Welt sein kann - ein Monatseinkommen ab 5000 Dollar aufwärts vorausgesetzt. Wer es dagegen wagt, im Herzen des Kapitalismus mit weniger daherzukommen, was dort bekanntlich nicht wenige riskieren, der wird früher oder später existenzielle Erfahrungen machen, für die man woanders lange und ausdauernd meditieren müßte. Wenn also irgendwo ein Maximum des Geldes mit einem Maximum des Geistes auf den selben Quadratkilometern auskommen muß, wenn sich irgendwo philosophische Erwägungen gezwungen sehen, vom akademischen Elfenbeinturm hinabzusteigen und mit der Nase im lebensweltlichen Schmutz zu stöbern, dann dort.Der in New York lebende schwarze Künstler DJ Spooky kennt sich in beiden Welten aus und berichtet durch seine Musik gleichermaßen von der Universität, wo er Französische Literatur und Philosophie studierte, wie von den mitunter unfreundlichen Straße der Metropole. Ein Kind des digitalen Alptraums nannte man ihn, und unklar blieb, ob sich dies auf seine Musik oder auf das in seinen Texten dargelegte radikale Verneinen subjektiver Innerlichkeiten bezog. DJ Spookys erste Platte hieß jedenfalls "Songs Of A Dead Dreamer": Gott mag tot sein, aber in seiner Hülle träumt es noch.Paul Miller, so DJ Spookys bürgerlicher Name, der sich seit seinem Studium für die Beziehung von Musik und Literatur interessierte, ging auf dieser Platte ungewöhnliche Wege. Geräuschpartikel, welche die an Science-Fiction-Filmsoundtracks der sechziger Jahre erinnern, trafen dort auf langgezogene, bedrohlich wirkende Halltöne. Unterlegt war dies mit seltsam gleichförmig hypnotisch wirkenden Beats. Es schien, als ob alles daran gesetzt wurde, Grooves zu vermeiden - eine Musik, die keine Tänzer wollte und zum zuhören zwang. Die groovebasierte Attitüde des Hip Hop, soziale Wirklichkeit zu repräsentieren, lehnte Spooky ab. Wenn es überhaupt eine Musikform gab, die sich das Repräsentieren erlauben konnte, dann war dies Ambient oder, wie Spooky ihn nannte, "Illbient". "Blues ist für mich auch eine Form des Ambient", sagte er einmal "es geht um das Gefühl vieler Menschen, aus der Welt gestoßen zu sein."Im Washington der achtziger Jahre aufgewachsen, identifizierte sich der junge Paul Miller mit dem Hardcore-Gitarrenkrach weißer Drop Out-Kids. Auf seiner Platte "Riddim Warfare" gibt sich der inzwischen 29jährige Spooky kompromißbereiter. Mit synkopischen Percussions und Hip Hop kommt der gute alte Groove zurück. Die Dunkelheit ist nicht mehr die Basis der Musik, sondern Element der Verfremdung. Viel Licht sehen sie deshalb noch lange nicht, die Straßen New Yorks.

DJ Spooky legt heute im Icon auf, 21.30 Uhr

PAUL TECK

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