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Kultur: Schlaft weiter!

Sie können einem leid tun oder Leid. Egal.

Von Gregor Dotzauer

Sie können einem leid tun oder Leid. Egal. Wie die Gegner der Rechtschreibreform die heutige Plenarsitzung der Kultusministerkonferenz schon wieder zum deutschen Schicksalstag stilisieren, tut weh. Seit Wochen rüsten sie publizistisch zum letzten Gefecht, als gäbe es außer der Schmach jahrelanger Niederlagen etwas zu bekämpfen: Die am 1.August 1998 beschlossene Reform soll am 1.August 2005 verbindlich werden. Daran ändern auch die Beratungen über den „4. Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission“ nichts. Doch je aussichtsloser der – von der Akademie für Sprache und Dichtung übrigens erst 2003 entdeckte – Protest auch ist, desto inbrünstiger beharren die Gegner darauf, dass Schnaps trinkende Gesellen ein Unding seien, während ihre schnapstrinkenden Mitmenschen in jedes Klassenzimmer gehörten.

Wer so spät aufwacht, hat sowieso gepennt. Weiterdiskutiert wird erst, wenn jeder Professor, der für die deutsche Rechtschreibung in den Grenzen von 1997 eintritt, nachweist, dass er E-Mails ohne Hilfe der Sekretärin schreiben kann.Wenn der deutsche PEN zugibt, dass unsere Literatur zur Inspiration orthografische Sicherheit am wenigsten braucht. Wenn der Lehrer, der sich auf sein untrügliches Sprachgefühl beruft, im nächsten Aufsatz auch mal Wiederholungen anstreicht. Und wenn in der Politik der letzte Gedanke verdorrt, das letzte Hölderlin-Gedicht aus den Schulbüchern verschwunden und die letzte Zeitung gestorben ist, dann werden sie schon merken, dass mit Rechtschreibung allein kein Staat zu machen ist.

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