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© ddp

Schloss Schönhausen: Marmor, Stein und Eisen spricht

Preußische Eleganz, Rokoko und DDR-Pomp: Heute wird das restaurierte Schloss Schönhausen eröffnet.

Unvermittelt steht der Besucher in der Treppenhalle vor einem Fenster zur Vergangenheit. Ein halber Quadratmeter Wandfläche neben der Tür zum Gartensaal blieb unverputzt. Hier wurde eine frühere Farbfassung freigelegt, die zeigt, dass dies einmal eine Außenwand gewesen ist. Denn das Petit Palais aus dem Jahr 1664 war zunächst ein dreiflügeliges Lustschlösschen. Erst Königin Elisabeth Christine, die es von Friedrich II. geschenkt bekommen hatte, ließ es 1774 zum heutigen Umfang erweitern. Der Königlich Preußische Oberbaudirektor Johann Boumann d. Ä. schloss den einstigen Ehrenhof durch ein repräsentatives Treppenhaus und stockte die Pavillons auf, so dass sich der heutige Rechteckbau mit Walmdach ergab.

Nicht den Idealzustand zu rekonstruieren, sondern die bewegte Geschichte des Hauses erlebbar zu machen, das war das Ziel des Architekten Winfried Brenne und der Baudenkmalpflege der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten bei der umfassenden Sanierung von Schloss Schönhausen. Am Außenbau war die Rückgewinnung der barocken Fassung geboten, denn die 1983 erfolgte Fassadenerneuerung musste schon aus bauphysikalischen Gründen entfernt werden. Der damals aufgebrachte, düster-graue Glaskröselputz verunstaltete das Haus und führte zu der zerstörerischen Durchfeuchtung der Wände. Zudem war schadhafte Putzrustika reichlich unsensibel durch Waschbetonplatten ersetzt worden.

Allerdings fanden sich größere Bereich des Originalputzes vor allem auf der Gartenseite, die gesichert und erhalten werden konnten. Die anderen Flächen erhielten einen neuen, nun wieder dampfdurchlässigen Kalkputz, der in handwerklicher Freskotechnik nach Befunden mit Kalkfarbe gestrichen wurde. Das Rokokoschloss steht nun wieder wie im späten 18. Jahrhundert in einer mit Ziegelrot sanft getönten Farbigkeit vor Augen.

Der Versuchung, auch im Inneren wieder die galante Welt des Rokoko zu inszenieren, haben die Verantwortlichen widerstanden. Sie verfolgten einen ähnlichen Ansatz wie David Chipperfield beim Neuen Museum – Originalsubstanz, aus welcher Epoche auch immer, zu erhalten, Fehlstellen behutsam, aber nicht rekonstruktiv zu ergänzen sowie hier und da „didaktische Fenster“ oder ganze Wände offenzulassen, die frühere Fassungen oder Bauzustände ablesbar machen. In einem Punkt konnten sie noch weitergehen: Eine Reihe von Ausstattungsstücken ist erhalten geblieben, mit denen manche Räume wieder original möbliert wurden.

So hat sich die Nutzungsfrage des von der DDR zuletzt als Gästehaus verwendeten Hohenzollernschlosses geklärt: Schönhausen ist jetzt in Teilen ein Museum, in dem die Geschichte und der Nachlass der Erstbesitzer, der gräflichen Familie Dohna Schlobitten, präsentiert wird. Zum anderen ist Schönhausen Museum seiner selbst. Es erzählt von seinem Schicksal als Wohnsitz der Königin Elisabeth Christine und anderer Mitglieder der Königsfamilie sowie später der Familie Cumberland. 1931, nach sechs Jahrzehnten Leerstand, wurde das Schloss als Ausstellungsgebäude für Pankower Künstler der Öffentlichkeit zugänglich, schließlich lagerten die Nationalsozialisten hier mehrere tausend Stücke „entartete Kunst“. Schwerwiegende Eingriffe erfuhr das Schloss zu Zeiten, als in der DDR der Denkmalschutz noch ein Schattendasein führte. Der Einbau von Heizungsanlage, Aufzug, Küche und Appartements samt Bädern und die Erneuerung der Fußböden mit modernem Dekor sollten Staatsgästen zeitgemäßen Komfort bieten.

So macht Schönhausen als einziges der im Bestand der Stiftung befindlichen Schlösser alle Zeitschichten authentisch erlebbar. Denn es zeigt das wieder mit den Originalmöbeln eingerichtete Arbeitszimmer des ersten Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck ebenso wie das Schlafzimmer, in dem zum Beispiel Prinzessin Beatrix beim Staatsbesuch nächtigte. Und es zeigt bizarre Brüche, wenn man etwa in dem Rokokozimmer die Tür öffnet und der Blick auf eine Toilettenschüssel und das in knalligem Lila geflieste Badezimmer im Design der sechziger Jahre fällt.

Kurios und gewagt erscheint die barockisierende Ausstattung der Räume des DDR-Präsidenten Pieck, wo das Stilmöbel neben dem Originalkamin steht, wo Authentisches auf Antikes trifft, wo Empire und Ausbau der Deutschen Werkstätten Hellerau sich mischen. Doch es gibt daneben auch großartigen historischen Bestand, der nun sorgsam restauriert wurde – einige Stuckdecken, die Zederngalerie, die zum Teil noch die Originalvertäfelung aufweist, vor allem aber der Festsaal. Es ist der einzige komplett erhaltene Rokokosaal in Berlin, mit einer Stuck- und Marmorausstattung von höchster Qualität aus der Endphase des dekorativen Stils. Der Saal wurde bis auf ein den Vorzustand zeigendes Sichtfenster nach Befunden in den Originalfarben restauriert.

In einem interessanten, transitorisch erscheinenden Zustand ist die „marmorierte Galerie“ im Obergeschoss anzutreffen. An den Wänden hat man spätere Schichten abgeschält. Die wunderbaren Rocaillen und Blütendekors aus Stuck sind noch nicht freigelegt, verbreiten aber in dem eigenartig ruinös wirkenden Raum trotzdem ihren Zauber. Die Gestalter der Ausstellung bemühten sich, das didaktische Konzept der Denkmalpfleger weiterzuführen, indem sie Exponate, Möbel und Gemälde, die nicht in den Zusammenhang des Schlosses gehören, auf dunkelgraue Podeste und Wandtafeln platzieren, was jedoch vielfach zu ästhetisch unbefriedigenden Lösungen führte.

Von der Wiedergewinnung authentischer Rokokopracht bis zur Präsentation auch kurioser Zutaten unserer Generation reicht die stellenweise umstrittene denkmalpflegerische Konzeption. Sie setzt nicht auf Ästhetisierung und Rekonstruktion, sondern auf Erhaltung und historische Zeugenschaft. Populistische Nostalgiepflege ist das nicht, sondern verantwortungsbewusster, zukunftsfähiger Umgang mit dem auf uns gekommenen Erbe.

Schloss Schönhausen, Tschaikowskistraße 1, Berlin-Pankow, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 - 17 Uhr. Heiligabend und 1. Weihnachtsfeiertag geschlossen. Eintritt: 6 Euro. 

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