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Schlossplatz: Streit um die Zukunft des Zentrums

Ein Jahr ist es her, dass der Wettbewerb zum Humboldt-Forum im Berliner Schloss entschieden wurde. Nun stellt sich die Frage: Muss der Wettbewerb wiederholt werden? Am Mittwoch fällt in Düsseldorf die Entscheidung über Stellas Schloss-Entwurf.

Ein Jahr ist es her, dass der Wettbewerb zum Humboldt-Forum im Berliner Schloss entschieden wurde. Aus dem Wettbewerb war der Vicentiner Architekt Franco Stella siegreich hervorgegangen – ein unbeschriebenes Blatt, was im internationalen Architekturreigen Berlins seit dem Mauerfall etwas heißen will. Im September dieses Jahres aber hatte die 3. Vergabekammer beim Bundeskartellamt der Bundespolitik vorerst einen Strich durch die Rechnung gemacht, zügig mit dem Schlossbau beginnen zu können. Nachdem der im Wettbewerb unterlegene Berliner Architekt Hans Kollhoff geklagt hatte, erklärte sie den vom Bund mit der Firma „Franco- Stella-Berliner-Schloss-Humboldt-Forum-Projektgemeinschaft“ geschlossenen Vertrag für nichtig – weil sie zwar den Namen des Wettbewerbssiegers trägt, Stella an ihr aber nur mit einem Drittel beteiligt ist. Die Vergabekammer zog auch Stellas Teilnahmeberechtigung in Zweifel – ohne jedoch das Wettbewerbsergebnis infrage zu stellen. Auch Kollhoff hatte „die Tatsache der Beauftragung des ersten Preisträgers als solche gar nicht beanstandet“, wie es in der Urteilsbegründung heißt.

Seither herrscht Konfusion. An diesem Mittwoch wird das Oberlandesgericht Düsseldorf über die Berufungsbeschwerde des Bundesbauministeriums als dem verantwortlichen Bauherren entscheiden. Zur Entscheidung steht dreierlei: Einerseits der Vertrag, den Stella mit dem in Museumsdingen erfahrenen Büro Hilmer & Sattler und Albrecht (München/Berlin) sowie, als Projektsteuerer, dem Hamburger Großunternehmen von Gerkan, Marg und Partner (gmp), für seine Firma geschlossen hat. Andererseits die Frage: neuer Ausführungsvertrag oder ein ganz neuer Wettbewerb? Schließlich geht es um ein grundsätzliches Problem bei öffentlichen Bauten: um das künftige Verhältnis von anonymem Wettbewerb und transparenter Auftragsvergabe. Weder sollen „kleine“ Teilnehmer benachteiligt noch deren erforderliche Kooperation mit erfahrenen Büros torpediert werden.

Ursprünglich gab es beim SchlossWettbewerb hohe Hürden, die sicherstellen sollten, dass die Büros zur Ausführung in der Lage sind. Nach der anfangs geringen Beteiligung, vor allem aber auf Drängen der Architektenkammer, wurde die Zugangshürde, gemessen in Jahresumsatz und Mitarbeiterzahl, gesenkt. Da hatte sich Franco Stella problemlos beteiligen können. Ob er indes die geforderten 300 000 Euro Jahresumsatz oder vier festen Mitarbeiter nachweisen kann, muss das Gericht nun beurteilen.

Kaum zu halten ist der Vertrag zwischen Stella und den beiden großen Büros. Die Gründung einer gemeinsamen GmbH ist ein ungewöhnlicher Vorgang; in der Regel beauftragt ein Haupt-Architekt seine Sub-Architekten mit klar umrissenen Einzelleistungen. Diese Problematik war dem Bauministerium bewusst, wie aus dem vom Kartellamt zitierten Mailverkehr hervorgeht. „Mir ist in architektonischen und gestalterischen Fragen die Federführung eingeräumt“, versicherte Stella im Juni: „So ist die Umsetzung des von mir eingereichten Entwurfes gewährleistet.“ Als glatte Widerlegung wirkte jedoch die Präsentation des überarbeiteten Entwurfs im Oktober, bei der Stella nicht einmal anwesend war.

Dass es Dissonanzen gebe, weist der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, gegenüber dem Tagesspiegel zurück: „Ich möchte ausdrücklich hervorheben, dass alle Nutzer seit Anfang des Jahres sehr konstruktiv und harmonisch mit Franco Stella zusammenarbeiten. Ich finde, der weiterentwickelte Entwurf hat sehr gewonnen.“

Nun gut, kein Entwurf für ein größeres öffentliches Vorhaben gelangt unverändert zur Ausführung. Das bedeutendste deutsche Kulturbauvorhaben des neuen Jahrhunderts aber macht seine Legitimation nicht größer, wenn es Verfahrensfehler aufweist. So erscheint Stella zunehmend nur als Figur in einem Schachspiel. Hier die Politik in Land und Bund, die die Schlossrekonstruktion aus städtebaulichen, aber auch geschichtspolitischen Gründen betreibt. Dort die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die sich vom ungeliebten Standort Dahlem für ihre Außereuropäischen Sammlungen trennen und in Berlins Mitte Position beziehen will.

Zu Beginn des Jahrzehnts hatte der Bundestag mit überwältigender Mehrheit für eine Rekonstruktion mit den drei Fassaden von Andreas Schlüter votiert. Später, nach der inhaltlichen Ausformulierung des Humboldt-Forums als SchlossNutzer, kam die Festlegung auf 552 Millionen Euro Gesamtkosten hinzu. Auf dieser Grundlage war 2008 der Architektenwettbewerb veranstaltet worden. Bislang haben die Nutzer, die Stiftung mit ihren Museen außereuropäischer Kunst und Kulturen, die Landesbibliothek Berlin und die Humboldt-Universität mit ihren Sammlungen, allein über das Humboldt-Konzept verhandelt. Kein Problem, meint Parzinger. Er sieht das Trio „zu einem wirklichen Team zusammengewachsen, in dem niemand daran denkt, sich auf Kosten der anderen auszudehnen“.

Über einen Intendanten für eine so komplexe Institution ist noch nicht entschieden. Unbestritten ist, so Parzinger, „dass die Agora, die das Herz des Humboldt-Forums bilden und in die anderen Bereiche ausstrahlen wird, einen Leiter beziehungsweise Intendanten brauchen wird.“ Und der benötigt Personal und ein Budget für ein attraktives Programm.

Wer all das bezahlt, steht in den Sternen. Innerhalb der neu gebildeten Bundesregierung müssen zunächst die Zuständigkeiten geklärt werden. Herr des Verfahrens ist Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU), dessen Ministerium erst nach dem Düsseldorfer Urteil eine Stellungnahme zur Schloss-Zukunft abgeben will. Umso wichtiger wird die Beratung durch Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) sein, der als Stiftungsratsvorsitzender bei allen konzeptionellen Fragen einbezogen ist. Und der Bundestag muss sich zu den Kosten erklären, die der Haushaltsausschuss mit 552 Millionen Euro gedeckelt hat. Nur können damit weder die stadtbildprägende Kuppel noch irgendwelche Innenansichten wiederhergestellt werden.

Experten schätzen die Gesamtkosten eher auf rund 700 Millionen Euro. Für die Ausgestaltung des Schlosses gibt es eine Art Katalog, in dem die einzelnen Vorhaben mit ihren zusätzlichen Kosten aufgelistet sind. So kostet die Wiederherstellung der Kuppel, die der Bundestagsbeschluss nicht zwingend vorsieht, zusätzliche 15 Millionen Euro. Auch die Einbeziehung der Fundamente dürfte extra zu Buche schlagen.

Mit anderen Worten: Eine realistische Kostenplanung für die im Sommer als Bauherr vom Bund installierte „Stiftung Berliner Schloss – Humboldt Forum“, mit dem bei Regierungsbauten erfahrenen Manfred Rettig als Vorstand, wird erst mit der „Haushaltsunterlage Bau“ erstellt sein. Es ist bemerkenswert, wie kritisch die Schlossgegner aufs Geld schauen. Zur plötzlichen Baukostensteigerung beim Neubau des Bundesnachrichtendienstes an der Berliner Chausseestraße – von 700 Millionen auf eine noch unbekannte Endsumme – ist kein böses Wort zu vernehmen. Der Streit um Geld und Verfahrensfragen ist vielmehr ein Zeichen für die unentschiedene Einstellung der Bürger. Befürworter und Gegner halten sich die Waage. Als 1993 die grellgelbe Schlossattrappe aufgerichtet wurde, begeisterte die Aussicht auf eine attraktive Mitte. Vom Humboldt-Forum war noch nicht die Rede, und es bedarf einiger Anstrengung, dieses Konzept populär zu machen. Der Bund wird sich neu bekennen müssen.

Sollte Stellas Wettbewerbssieg auch nach dem Düsseldorfer Gerichtsentscheid Bestand haben, ergeben sich folgende Aufgaben. Die Konkretisierung des Stella-Entwurfs muss in verfahrensrechtlich untadeliger Weise über die Bühne gehen. Das Humboldt-Forum muss ein rundes Ganzes werden, keine bloße Adition von Dies und Das. Und die städtebauliche Einbindung des Schlosses, zum Lustgarten hin oder zur Schlossplatzseite, muss mit der Berliner Landespolitik geklärt werden. Damit das Humboldt-Forum im Schloss das wird, wofür allein ein solcher Aufwand lohnt: die neue, alte Mitte der Hauptstadt.

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