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Kultur: Schluss mit dem Schmusekurs

Die Öffentlichkeit in Deutschland hat sich zuletzt an vieles gewöhnt. Das liegt auch an Kool Savas, denn der Berliner Musiker hat in den vergangenen 15 Jahren entscheidend dazu beigetragen, dass Pornorap, frauenverachtende und homophobe Texte gewissermaßen salonfähig wurden.

Die Öffentlichkeit in Deutschland hat sich zuletzt an vieles gewöhnt. Das liegt auch an Kool Savas, denn der Berliner Musiker hat in den vergangenen 15 Jahren entscheidend dazu beigetragen, dass Pornorap, frauenverachtende und homophobe Texte gewissermaßen salonfähig wurden. Nicht zuletzt dank seiner „Pionierarbeit“ konnten Musiker wie Sido und Bushido Castingjuroren, Bambi-Gewinner und beliebte Talkshowgäste werden – trotz einschlägiger Texte und deren späterer Verharmlosung.

Dabei bleiben die Texte nun einmal herabwürdigend, für Frauen wie für Männer. Dass die Entgleisungen weitgehend von der Kunstfreiheit gedeckt sind, heißt noch lange nicht, dass sie auch gesellschaftlich akzeptiert sind. Es ist höchstens so, dass man mit der Zeit gleichgültig wurde, so oft hat man die Sprüche schon gehört. Allerdings noch nicht von jedem – und vielleicht ist gerade deshalb der Aufschrei über einen Songtext von Xavier Naidoo so groß. Auf dem mit Kool Savas produzierten Album „Gespaltene Persönlichkeit“ singt Xavier Naidoo über Pädophile in einem hidden track: „Ich schneid’ euch jetzt mal die Arme und die Beine ab, und dann ficke ich euch in den Arsch, so wie ihr es mit den Kleinen macht. (...) Warum liebst du keine Möse, weil jeder Mensch doch aus einer ist?“ Ein Lied, wie es Rüpelrapper Kool Savas alleine trällern könnte, ohne dass sich jemand echauffierte. Doch Xavier Naidoo? Vorbild für Millionen bei „The Voice of Germany“, ein Schmusesänger aus der Mitte der Gesellschaft?

Die Linksjugend hat Anzeige erstattet (Tsp. vom 15.11.), alle Welt empört sich. Das ist gut, denn es geht nicht darum, dass hier mit zweierlei Maß gemessen oder Naidoo falsch verstanden würde. Weil keiner mit solch wüsten Versen von Naidoo rechnen konnte, haben die Leute genau hingehört und entsprechend reagiert. Eindeutig werden hier Schwule mit Sexualstraftätern gleichgesetzt.

Naidoo selbst findet das freilich nicht. Es gehe um Ritualmorde an Kindern, sagt er, Schwule habe er nicht beleidigen wollen. Warum Sexualstraftäter und Satanisten aber allein diejenigen sein sollen, die „keine Möse mögen“, also Homosexuelle, das erklärt er nicht.

Die Staatsanwaltschaft Mannheim übrigens, wurde gestern bekannt, verzichtet auf Ermittlungen. Es bestehe kein Anfangsverdacht. Ob der Song nun, juristisch gesehen, volksverhetzend ist oder Kunst, ist am Ende nicht so wichtig. Dass Naidoo aber nicht begreift, wie problematisch und verletzend sein Text ist, zeigt, wie abgestumpft er offenbar ist, mehr als die Gesellschaft. Dass die genauer hinhört, wenn menschenverachtend geträllert wird, das ist die gute Nachricht.

Sidney Gennies begrüßt die Kritik an Xavier Naidoo

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