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Kultur: Schluss mit Torschusspanik!

von Kai Müller Sie sehen toll aus. In Blümchenkleid, Jeans und TShirt, Strickjacke und schulterfreiem Top.

von Kai Müller

Sie sehen toll aus. In Blümchenkleid, Jeans und TShirt, Strickjacke und schulterfreiem Top. Und sie schonen sich nicht. Sie grätschen, rutschen und sprinten über einen verschlammten Fußballplatz, eine der Damen, die entfernt an Birgit Prinz erinnert, drischt den Ball wunderbar kraftvoll – ja, wohin? Dann verrät der Werbespot seine badenwürttembergische Botschaft: „Wir können alles, außer Hochdeutsch.“ Und Tore schießen.

Eine Frechheit. Endlich werden Frauen im Vorfeld der EM auch für Fußballspots entdeckt, und trotzdem sehen sie wie lächerliche Figuren aus. Werfen sich in den Dreck für nichts Besseres als eine sagenhafte Kerze. Man scheint vergessen zu haben, dass die Frauen-Nationalmannschaft im Gegensatz zu Völler & Co kein Tor-Problem hat. Nicht nur dominieren die Weltmeisterinnen die internationale Konkurrenz so deutlich wie Ronaldos brasilianische Equipe den Rest der Männerwelt. Sie treffen vor allem auch. 13:0 gegen Portugal, 6:0 gegen die Ukraine, 7:1 gegen Russland. In der EM- Qualifikation führen die Frauen in der Gruppe 4 mit einem Torverhältnis von 45:2. Birgit Prinz hat bei 116 Einsätzen 72 Tore erzielt. Rudi Völler brauchte 90 Spiele für 46 Tore. Aber nein, Frauen können ja keine Tore schießen.

Sie machen sich das Leben aber auch schwer. So zirkuliert gerade ein Wahlflyer der Grünen, auf dem ein sinkender, ölverschmierter Spielzeugtanker zu sehen ist und darüber der Slogan: „Frauen ans Ruder.“ Genau so stellen wir uns das vor, wenn Frauen ein Steuerrad in die Finger bekommen.

Dabei könnten Frauen dem Volkssport Fußball etwas längst Verlorenes zurückgeben. Das technische und taktische Raffinement der Profi-Männer erschließt sich heute kaum noch jemandem (und wird von den Kommentatoren auch nie entschlüsselt). Mögen Männer argwöhnen, Frauen-Fußball sei wie Dauer-Zeitlupe – die Entschleunigung hat ihr Gutes: Das Spiel wird wieder lesbar. Vielleicht ist es aber auch das Glück dieser deutschen Spielerinnen-Generation, dass sie so ungeheur gut ist – und vor niemandem Angst hat.

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