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Kultur: Schmerzensfrau

Die Schriftstellerin Karin Struck ist tot

Zwei Jahrzehnte, bevor Hera Lind gegen die Zumutungen der Männerwelt das selbstbewusste „Superweib“ erfand, entwarf sie den Frauentyp der Stunde: zerrissen zwischen mütterlichem Auftrag und intellektueller Ambition, Liebessehnsucht und Selbstaufgabe. Karin Struck, 1947 als Bauerntochter bei Greifswald geboren und in der Nähe von Bielefeld aufgewachsen, porträtierte sich 1973 in ihrem Debütroman „Klassenliebe“ als Schmerzensfrau. In der Geschichte von den Grenzen des sozialen Aufstiegs fand sich eine ganze Generation wieder, die des Politischen überdrüssig war, den Aufbruch ins Private aber noch nicht wagte. Struck schrieb feministische Bekenntnisliteratur, die von „Die Mutter“ (1975) über „Lieben“ (1977) und „Trennung“ (1978) zusehends zerfaserte – und mit „Kindheits Ende“ (1982) in ein offen autobiografisches Tagebuch mündete.

Strucks Bücher, die in der Kritik durchweg mehr Beachtung als Achtung fanden, waren meist mehr Gefühl als Form, und wenn es politisch wurde, oft mehr Vorwurf als Argument. Anfang der neunziger Jahre verarbeitete die Mutter von vier Kindern die Folgen eines Schwangerschaftsabbruchs in dem Buch „Ich sehe mein Kind im Traum“ und entwickelte sich zur fundamentalistischen Abtreibungsgegnerin. Ihr neu gewonnener Katholizismus, mit dem sie ihre Zeit beim SDS und bei der DKP hinter sich ließ, beflügelte sie dabei. Karin Struck ging mit ihrer Zeit hart ins Gericht – am härtesten aber mit sich selbst. Was daran Mut und was Verhärtung war, lässt sich kaum unterscheiden. In München ist sie am Montag nach längerer Krankheit mit 58 Jahren gestorben. dotz

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