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Kultur: Schmetterlinge

Das Kulturjahr Chinas in Deutschland ist eröffnet.

Wer sich am Montag auf den Weg ins Berliner Konzerthaus machte, wurde von einem Spalier aus Demonstranten empfangen. Sie forderten die Freiheit von Kunst, Künstlern und bedrohten Völkern in China. Es war der Prolog zum Kulturjahr Chinas in Deutschland, das der chinesische Kulturminister Cai Wu und die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper, im Konzerthaus offiziell eröffneten. Denn das Kulturjahr, bei dem es sich um eine Initiative der Regierung der Volksrepublik handelt, ist schon durch sein Volumen präsent genug, um das hiesige Bild Chinas zu prägen. Unter dem Motto „CHINAH“ werden 500 Veranstaltungen aus den Bereichen Musik, Tanz, Theater, Film, Design, Fotografie, Medienkunst und Literatur in 30 deutschen Städten stattfinden, so viel wie nie zuvor bei einer Präsentation Chinas in Deutschland. Am interessantesten dürften die Begegnungen werden, die im Rahmen von bestehenden Festivals stattfinden. Allein in der stark vertretenen Musikszene reicht das Spektrum von Metal-Core beim Heavy Metal-Festival in Wacken über Kompositionswettbewerbe und ein Filmmusik-Konzert mit Werken von Tan Dun beim Schleswig-Holstein Musikfestival bis zum Experiment einer Brecht-Aufführung im Stil der Sichaun-Oper bei den Internationalen Maifestspielen Wiesbaden.

Die Eröffnungswoche des Kulturjahrs, die noch bis zum 9. Februar in Berlin stattfindet, bewegt sich dagegen weitgehend im allzu sicheren Hafen der Tradition – wie leider auch das Eröffnungskonzert. Der Anlass des Kulturjahres, das 40-jährige Bestehen diplomatischer Beziehungen zwischen China und Deutschland, wurde immerhin durch eine praktische Demonstration der diplomatischen Kunst gewürdigt. So war es noch spannender zu verfolgen, wie kunstvoll Wu und Pieper es vermieden, „Ai Weiwei“ zu sagen, als dem Spiel des China Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Long Yu zu lauschen – einem Dirigenten, der an eben jener Berliner Hochschule studierte, an der heute eigentlich Ai Weiwei als Gastprofessor lehren sollte. Auch wenn Long Yu nicht die Weltstarqualitäten seines Musikerkollegen Lang Lang erreicht, der nicht für das Kulturjahr gewonnen werden konnte, unterstreicht er den wachsenden Anspruch Chinas, als Global Player in der Klassikszene wahrgenommen zu werden.

Der chinesische Ton zeigt sich dabei im Detail. So steht den mechanischen Begleitfiguren der „Tannhäuser“-Ouvertüre der reiche Ton der Flöte entgegen. Das am Rande des Easy Listening surfende Violinkonzert „Butterfly Lovers“ von Zhanhao He und Gang Chen bietet dem Solisten Feng Ning leider zu wenig Raum für seine virtuosen Fähigkeiten. Am nachdrücklichsten bleibt die Peking-Oper Sängerin Yi Wang im Gedächtnis: Sie ist Solistin in der Bearbeitung der Peking-Oper „Die betrunkene Konkubine“. Zwar übergießt der Orchestersatz das Original mit einer neoromantischen Soße, leistet aber auch Übersetzungsarbeit – etwa indem er Schlagzeugklänge westlich ausharmonisiert. Und Yi Wang zeigt, dass nicht jeder Dialog übersetzt werden muss: Trotz der Stilisierung von Bewegungen und Kostüm und der näselnden Fremdartigkeit ihrer Stimme genügt ihre Präsenz, um die zeitlose Geschichte der frustrierten Konkubine zu erzählen. Carsten Niemann

Infos zum Kulturjahr Chinas in Deutschland: www.cn2012de.com

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