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Kultur: Schmolllippenbekenntnisse

Vesselina Kasarova im Konzerthaus

Vesselina Kasarova hat sich den steinigsten Weg zum Ruhm ausgesucht. Statt nur auf die Schönheit ihrer Stimme zu vertrauen, strebt die bulgarische Mezzosopranistin nach jenem Zielpunkt, an dem die technische Perfektion in puren Ausdruck transzendiert. Unermüdlich feilt sie an den berühmtesten Opernarien, probiert Schattierungen, Verzierungen, Verzögerungen, um jede Wendung, jeden Ton zum gesungenen Gefühl zu machen. Im Konzerthaus, wo sie auf ihrer Tour mit dem Los Angeles Chamber Orchestra Station macht, gelingt ihr das vor allem bei Rossini: Ihre Rosina braucht weder Barbier noch Sevilla, ja sie bräuchte vermutlich nicht einmal den Text von „Una voce poco fa“. Hier ist eine Koloratur mal ein unterdrücktes Kichern, mal ein verliebt sein wollender Seufzer, und schon das eine, auf Schmolllippen gehaltene Wort „ma“ („aber“) reicht, um die Diva zum Teenager zu machen.

Auch ihre „Italienierin in Algier“ ist ein solches Wunder – eine Stimme, die mit sich selbst spielt, sich im tiefen Register einen Damenbart umhängt, sich Ketten kurzer Noten wohlig aus dem Körper zu schütteln scheint und den Akt des Singens selbst zur Komödie macht. Die Enden der Parabel berühren sich – während sie zuvor, beim Sesto aus Mozarts „Titus“ noch eine Spanne weit auseinanderlagen und die Gefahr von Kasarovas Belcanto-Ideal deutlich wurde: Denn schon das nur Beinahe-Perfekte offenbart die absichtsvolle Kunstfertigkeit, die Mittel drohen sich als Manier gegen die Sängerin zu verkehren. Und man begreift, dass das Gelingen ein immer neues Glück ist, das sich nicht festhalten lässt. Jörg Königsdorf

Jörg Königsdorf

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