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Kultur: Schneidbrenner, hilf!

Grau, schmal, mit gesträubten Haaren, die "Netto"-Plastiktüte in der verkrampften rechten Hand - so erscheint Uwe Fischer als Major von Tellheim auf der Bühne des Studiotheaters bat.Ein Mißtrauischer, Häßlicher, Verbitterter tritt an, linkisch und gefühlsscheu, zu unkontrollierten Ausbrüchen neigend - fürwahr kein Kriegsheld, kein tapferer Jüngling, kein feuriger Liebhaber.

Grau, schmal, mit gesträubten Haaren, die "Netto"-Plastiktüte in der verkrampften rechten Hand - so erscheint Uwe Fischer als Major von Tellheim auf der Bühne des Studiotheaters bat.Ein Mißtrauischer, Häßlicher, Verbitterter tritt an, linkisch und gefühlsscheu, zu unkontrollierten Ausbrüchen neigend - fürwahr kein Kriegsheld, kein tapferer Jüngling, kein feuriger Liebhaber.Anja Dirks und Markus Joss, Regiestudenten der Ernst-Busch-Hochschule, haben Lessings "Minna von Barnhelm" mit Schauspiel-Studenten als eine "Komödie in Zeiten der Arbeitslosigkeit" inszeniert, und Fischers Tellheim zeigt in der Tat eine staubgraue Verzweiflung.Nirgends ist dieser glanzlose, spitznasige Kerl in der verschlissenen Uniform heimisch, er drückt sich in Ecken, sieht den Partnern nicht ins Gesicht, spricht ins Leere.Ein Mann, durch die Verhältnisse aus der Bahn gebracht, verkrampft und verbittert, fast schon autistisch auf sich zurückgeworfen.Ob aus dem Gescheiterten wieder ein verträglicher Mensch werden kann, ist die Frage, die sich die Inszenierung stellt.

Siebenjähriger Krieg? Preußen? Ein halb verfallenes Gasthaus? Zeit und Milieu sind für das Regieteam nicht weiter wichtig.Junge Leute, mit Handy, Fernseher, Dosengetränken, treten an, um am Tresen, durchaus auch beim Sektfrühstück, eine verfahrene Situation wieder in Ordnung - und ihr Schäfchen ins Trockene zu bringen.Minna (Antje Poser), das sächsische Fräulein, hat sich deshalb eher für den Kampf um Prinzipien als um den geliebten Major gleich mit zwei Mädchen gerüstet: Franziska ist doppelt vorhanden, als eine Art Zwillingspaar (Antonia Holfelder und Teresa Trauth).Lessings meisterlich ausbalancierten rhetorischen Scharmützeln um männliche und weibliche Ehrenhaftigkeit soll so, nicht recht überzeugend, ein weiteres Kampffeld hinzugewonnen werden.

Auf Anmut wird in den vielfach verschlungenen Händeln freilich verzichtet, es geht drall und direkt zu, auf weiten, stürmisch zurückgelegten Wegen vom "Parkett" hinauf ins Balkon-Minna-Stübchen, oder durch die Eisentür hinaus auf die Straße.Antje Posers Minna hat noch einen (buchstäblich barfüßigen) Liebreiz, allerdings in einer vertrotzt-selbstbewußten, leicht arroganten Art.Die Franzisken von Holfelder und Trauth zeigen sich amazonenhaft kämpferisch, genäschig und dreist.Auch den Männern ist Grobianisches zugeteilt, von der biegsam-grinsenden, provozierenden Hinterhältigkeit des Wirtes (Martin Brauer) über die biedere Derbheit des Just (Kai Schumann) und die buntscheckige Naivität des Werner (This Maasg) bis zur lärmigen Tollheit des Riccaut (Mark Waschke).An Standpunkten der Ehre wird gleichsam mit schweren Schraubenschlüsseln gearbeitet, bis alles so festgedreht ist, daß nur noch der Schneidbrenner helfen kann.Auf einer heruntergelassenen Leinwand ist dann eine Fete zu besichtigen, eine Hochzeit möglicherweise, ein sich bis zu orgiastischer Wildheit steigerndes, stampfendes Fest.Kein "Erwachen aus einem schrecklichen Traume", ein Aufgehen in entfesselter Wildheit.

Wieder am 6., 7.und vom 27.bis 30.Juni, jeweils um 20 Uhr.

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