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Kultur: Schön entrückt ist Cornelia

Wer glaubt, das Preußen-Jahr sei schon zu Ende, der wird in der Villa Grisebach eines Besseren belehrt: Bernd Schultz hat das 300. Thronjubiläum zum Anlass genommen, im Rahmen der umfangreichen Herbstversteigerung eine eigene Preußen-Auktion zu veranstalten.

Wer glaubt, das Preußen-Jahr sei schon zu Ende, der wird in der Villa Grisebach eines Besseren belehrt: Bernd Schultz hat das 300. Thronjubiläum zum Anlass genommen, im Rahmen der umfangreichen Herbstversteigerung eine eigene Preußen-Auktion zu veranstalten. In der Verbindung von kunsthandwerklichen Stücken, Autographen, Zeichnungen, Gemälden und Plastiken bietet das Angebot eine facettenreiche Mischung verschiedenster Zeugnisse aus Kunst, Kultur und Geschichte, die Entdeckungen zwischen wenigen hundert und 300 000 Mark ermöglichen.

Omnipräsent ist die Persönlichkeit Friedrich des Großen - nicht nur auf vielen zeitgenössischen und postumen Porträts wie der Reiterstatuette Louis Tuaillons von 1911 (Taxe 14 000 Mark) oder Lovis Corinths großem Grafik-Zyklus "Fridericus Rex" von 1921 / 22 (Taxe 300 000 Mark), sondern auch in Form mehrerer Autographen, unter denen eine umfangreiche Kabinettsakte mit zahlreichen eigenhändigen Anmerkungen aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges hervorsticht (Schätzpreis 150 000 Mark). Im Bereich der bildenden Kunst lassen vor allem zwei Werke das Herz höher schlagen: Menzels hinreißende Tuschfederzeichnung einer Kaffeehausszene (Taxe 180 000 Mark) sowie das erst kürzlich entdeckte intime Familienbildnis von Daniel Chodowiecki (um 1770), das für die gleiche Summe angeboten wird.

Beide Bilder wären auch eine Zierde für den Katalog der "Ausgewählten Werke" gewesen, der diesmal etwas bescheidener als üblich ausgefallen ist. Das könnte mit den Ereignissen vom 11. September zusammenhängen, schließlich fiel die heiße Phase der Akquisition in die Zeit nach dem Attentat, als für den Kunstmarkt eine Rezession befürchtet wurde. Gleichwohl gibt es eine Reihe herausragender Werke zu bewundern. Stark vertreten ist etwa Christian Rohlfs, darunter mit den zwei späten Tempera-Blättern "Schneeberg am See (Lago Maggiore)" und "Am Lago (Violette Landschaft)", auf denen die körperliche Welt völlig entmaterialisiert zu sein scheint (80 000 und 90 000 Mark). Die Preisspitzen bilden zwei Landschaften, der "Schlosspark" von Lovis Corinth (1908, 600 000 Mark) und der altmeisterliche "Waldrand mit Buche" von Otto Dix (1935, 500 000 Mark); eines der schönsten Bilder der gesamten Auktion ist jedoch Karl Hofers entrückt-melancholisches "Porträt von Cornelia" (Taxe 180 000 Mark). Schwach vertreten erscheint lediglich die Nachkriegsmoderne, in der immerhin Ernst Wilhelm Nays farbglühende Gouache aus der Hekate-Periode große Beachtung verdient (40 000 Mark).

Einen gewissen Ausgleich bietet das Angebot der zeitgenössischen Kunst, das auch Bilder aus den 60er Jahren umfasst, etwa Domenico Gnolis eindringliche Komposition "Homme assis derrière une table" von 1963 (Taxe 90 000 Mark) oder zwei frühe Collagen von Wolf Vostell (bis 15 000 Mark). Zu den Highlights der Versteigerung zählt aber wie in den letzten Jahren die Fotografie: mit drei raren Vintage-Prints der berühmten Pflanzenbilder von Karl Blossfeld (Taxe 90 000 Mark) oder einem vielpublizierten, äußerst suggestiven Picasso-Porträt von Irving Penn, das auf 60 000 Mark geschätzt wird. Abgerundet wird das Angebot durch eindrucksvolle Abzüge aus den 20er und 30er Jahren (Renger-Patzsch, Mantz, Ehrhardt) sowie beispielhaften Werken der neueren Fotografie von Nan Goldin, Thomas Struth und Andreas Gursky.

Villa Grisebach, Fasanenstraße 25, Auktionen vom 29. November bis 1. Dezember, Vorbesichtigung Sonntag und Montag 10-18.30 Uhr, Dienstag 10-20 Uhr, Mittwoch 10-17 Uhr.

Markus Krause

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