zum Hauptinhalt

Kultur: Schön wie eine Sphinx

Familienduell: „Zwei ungleiche Schwestern“

Ihre Haut ist makellos, glatt und weiß wie Porzellan, und ebenso kalt ist die ganze Person. Berührt man sie zu heftig, wie der kleine Sohn beim Guten-Morgen-Kuss, droht sie zu zerspringen. Und gibt einen hässlichen Ton von sich.

Martine ist eine Zicke. Reich und verwöhnt, geplagt von Dauermigräne und ewig schlechter Laune, frustriert und frigide. Eine Rolle für Isabelle Huppert, die oft solche Frauen spielt, in Michael Hanekes Verfilmung von Elfriede Jelineks „Klavierspielerin“, Werner Schroeters „Malina“ oder Chabrols „Madame Bovary“. Eine Virtuosin der Sprache und des Spiels, gewiss, perfekt schön dazu. Doch beim Zusehen wird einem kalt.

Selten jedoch hat man Isabelle Huppert so in Missgunst, Neid und Rachsucht explodieren sehen wie in Alexandra Leclères Debütfilm „Zwei ungleiche Schwestern“. Dieser Martine gelingt es im Nu, das Abendessen mit Freunden zu ruinieren, erst durch steinernde Schweigsamkeit und dann durch eine Philippika, die keinen am Tisch ausspart. Wo Martine hinlangt, bleiben betretenes Schweigen und Tränen, oft auch Gewalt.

Kein Wunder, dass das nicht gutgehen kann mit den ungleichen Schwestern. Denn die jüngere Schwester Louise (eine Entdeckung: Catherine Frot), die Martine da unversehens in den großbürgerlichen Pariser Haushalt schneit, ist genau das Gegenteil: impulsiv, laut, nervig, naiv und provinziell. Ihren ersten Roman hat sie geschrieben, autobiografisch natürlich, und will ihn einem Verleger vorstellen und gleichzeitig ein wenig das Leben der Schwester aufmischen, den traurig-dicken Sohn trösten und den frustrierten Ehemann dazu, und ein Opernbesuch, ein Frisörbesuch und ein Restaurantbesuch sollen natürlich auch sein. Es ist nie genug, und genau dieser Anspruch, dass die ganze Welt nie genug ist, kann Martine nicht ertragen. Im Grunde nämlich denkt sie genauso.

Alexandra Leclère ist klug genug, uns eine Versöhnung zu ersparen. So eine wie Martine ist nicht zu retten, und wenn sie auch Louise einige Tränen abgepresst hat, mit Vorwürfen und Demütigungen, wird diese sich einmal übers Gesicht wischen und weitergehen, in ihren hässlichen Schal gewickelt. Vielleicht macht genau das den Film bei aller Eleganz so deprimierend, dass von Anfang an klar ist, die beiden ändern sich nicht, und das Leben der anderen schon gar nicht.

Und umso mehr wünscht man sich, Isabelle Huppert einmal anders zu sehen. „Die Garbo lacht“ lautete die Werbung für „Ninotschka“, und auch Isabelle Huppert würde man gern einmal so lachen sehen, hemmungslos, bis zur Atemlosigkeit. Die Sphinx, Neurotikerin und Perfektionistin kennen wir zu gut.

In Berlin in den Kinos Filmpalast, Filmtheater am Friedrichshain, Kulturbrauerei, Neues Off und OmU im Cinema Paris

Christina Tilmann

Zur Startseite